Bircon 2024

Hinter mir liegt die erste Berlin International Roleplaying Game Convention, kurz: Bircon.

Zum ersten Mal organisierte die englischsprachige Rollenspiel-Community Berlins ihre eigene Con, und ich war mittendrin. Viele Gesichter kannte ich schon vom VS RPG Berlin, wodurch ich mich sofort ein bisschen Zuhause fühlte.

Auf der Bircon wurde hauptsächlich gespielt. Aber es gab auch ein paar Stände (unter anderem mit Elfenohren), Workshops, Panels, und zwei Tombolas, auf denen ich nichts gewonnen habe, was ich für eine Gemeinheit halte.

Zu wenig Rollenspiel-Cons in Berlin

Ich freue mich wie ein Marzipanschwein über gutes Wetter, dass es endlich eine weitere Rollenspiel-Großveranstaltung bei mir Zuhause gibt. Klar, da ist die Sonnencon, die ich sehr schätze, aber die ist halt in Spandau, was von mir über eine Stunde entfernt ist. Die Bircon hingegen ist in Friedrichshain, in Laufreichweite der Warschauer Straße. Das ist für mich bequem erreichbar.

In der Vergangenheit gab es noch mehr: Zwei mal fand die Ratcon Berlin statt. Die war auch sehr angenehm erreichbar für mich. Ich hatte zwar einen schweren Start mit ihr (siehe: Ratcon Berlin – War das schon alles?), freute mich aber um so mehr, als sie nach dem langen Lockdown ein zweites Mal eröffnete (siehe: Ratcon Berlin 2022). Dann wurde sie leider genetflixt, also nach zwei Staffeln abgesetzt.

Als ich von der Bircon hörte, sprang ich sofort freudestrahlend auf und sicherte mir ein Ticket. Und das war auch gut so, denn die Veranstaltung war schon nach wenigen Tagen ausverkauft, mit einer laaaaangen Warteliste, falls noch jemand abspränge.

Es ist schwer, in Worte zu fassen, wie cool es ist, eine Rollenspielcon in meinem Home-Turf zu haben. Normalerweise fahre ich dafür ja durch halb Deutschland, an so exotische Orte wie Bonn-Beuel oder Dreieich-Sprendlingen. Aber endlich mal konnte ich die Downtime zwischen meinen Spielrunden nutzen, um nach Hause zu flitzen, was zu mümmeln, kurz die sozialen Batterien wieder aufzuladen, und… äh… und sich dann sehr schwer damit zu tun, den Hintern wieder hoch zu bekommen, und zurückzudüsen. Ernsthaft, die Anziehungskraft meiner Couch zu unterschätzen, war ein Fehler, das sollte ich nicht nochmal machen.

Lerne von mir: Wenn eine Con in deiner Stadt ist, geh zwischendurch nicht nach Hause. Es sei denn, du hast eine stählerne Willenskraft. Oder keine gemütlichen Sitzelegenheiten. Aber das hoffe ich nicht für dich.

Tales Untold: Der Veranstaltungsort

Die Bircon durfte die Räumlichkeiten des Tales Untold nutzen. Das ist ein relativ neues Brettspiel- und Rollenspielcafé, in dem ich vorher noch nie war.

Das Tales Untold ist nicht nur ein Laden, in dem man Platz für Spielrunden findet. Es ist auch ein typisches Berliner Café, in dem Wert auf guten Kaffee gelegt wird, was aber auch heißt:

  • Es gab keine Kaffeeflatrate,
  • und der Kaffee ist nicht günstig.

Aber dafür boten sie eine kostenlose Wasserflatrate. Das war zwar nur Leitungswasser mit Zitronenscheiben, aber daran konnte man sich durchgehend bedienen, und das finde ich tatsächlich wesentlich besser als jede Kaffeeflat.

Ansonsten ist der Laden recht hübsch, die Mitarbeitenden waren freundlich und kompetent, auch das Essen war lecker (und teuer). Aber zwei Minuspunkte hat er auch:

  1. Der Raum ist begrenzt. Die Bircon kann also nicht wachsen, wenn sie im Tales Untold bleibt. Da jetzt schon die Nachfrage wesentlich größer war als die verfügbaren Karten, wäre das schade. Andererseits ist verfügbarer Raum in Berlin nunmal extrem rar, es sei denn, man gehört zu den superreichen Gewinnern der Kapitalismus-Lotterie. Von daher ist es schon cool, mit dem Tales Untold überhaupt einen Ort gefunden zu haben, an dem man eine Con veranstalten kann.
  2. Es war viel zu laut. Ich hatte große Schwierigkeiten, meine Mitspielenden zu verstehen, selbst wenn sie direkt vor mir saßen. Das ist mein größter Kritikpunkt an der Bircon: Das Spielen wurde durch die Gesamtlautstärke erheblich erschwert.
    Ja, richtig: Über etwas Ähnliches beschwerte ich mich schon bei der Ratcon Langen. Ich hoffe mal, dass ich nicht einfach empfindlicher geworden bin, sondern dass diese beiden Veranstaltungen wirklich das zumutbare Maß überschritten haben. Aber diejenigen, mit denen ich mich darüber unterhielt, beklagten das genau so wie ich. Daher gehe ich mal davon aus, dass es nicht an mir lag. So oder so: Diese Probleme sind behebbar. Ein intelligentes Sounddesign ist möglich. Das braucht halt Expertise und Moneten, ist aber wesentlich leichter zu stemmen als das Platzproblem.

Wertschätzung

Spielleitungen bekamen auf der Bircon weder freien Eintritt, noch T-Shirts, die ihnen nicht passen. Aber dafür gab es einen 10 € Verzehrgutschein.

Das ist fair. Damit kam ich zwar nicht durch den Tag, konnte aber meinen Kaffeekonsum finanzieren, und noch eine Kleinigkeit futtern. Da der Kaffee lecker war, hat mich das zufrieden gestellt.

Größenvergleich

Die Bircon 2024 bot Platz für 80 Besucher*innen. Geleitet wurden 22 Spielrunden. Damit ist sie die kleinste Con, über die ich hier bisher berichtete.

Im Vergleich:

Spielrunden: Verpasste Chancen

Obwohl die meisten Cons, die ich besuchte, größer sind als die Bircon, habe ich noch auf keiner Con ein so vielfältiges Angebot an Spielrunden gesehen. Es gab viel zu viele spannende Angebote, die ich gerne angenommen hätte. Hier drei Favoritinnen, die ich versäumt habe, mit blutendem Herz:

  • Mörk Borg mit Rollenspiel-Autor Christian Eichhorn. Ich leitete parallel meine eigene Mörk Borg Runde, deshalb konnte ich daran nicht teilnehmen. Als ich das realisierte, bekam ich fast einen Schreikrampf.
  • Lady Susan P.I., ein Detektiv-Szenario für das Jane Austen Rollenspiel Good Society. Dass ich hieran nicht teilnehmen konnte, ist das wahre Verbrechen.
  • D&D 2E mit EXTREM GEILEN MINIS. Florian und Jake vom Hack & Slash Podcast leiteten zusammen – jawohl, zwei DMs – ein selbstgeschriebenes Abenteuer. Als ich die Minis und das Gelände sah, drehte mein inneres Kind fast durch. Warum habe ich davon eigentlich kein Foto gemacht? Zum Glück gibts eine Gallerie auf der Bircon-Homepage: Schau dir das an!

Nun zu dem, was ich tatsächlich spielte.

Spielrunden: Genutzte Chancen

Für mich begann der Tag mit meiner eigenen Runde. Ich leitete:

Mörk Borg: Something wicked this way comes

Something wicked this way comes ist ein Shakespeare-inspirierter Dungeon von Philipp Teich. Ich reicherte den Dungeon mit vorgefertigten Charakteren an, die alle mit dem Szenario verknüpft sind. Mehr dazu erzähle ich mal ausführlich in einem eigenen Artikel.

Bild vom Spieltisch auf der Bircon

Mir hat die Runde unfassbar viel Spaß gemacht. Ich erklärte den Spieler*innen am Anfang kurz meine Erwartungen an den Spielstil:

  1. Ihr wollt vermeiden, zu würfeln. Dafür braucht ihr a) Pläne, die Würfelwürfe unnötig machen und b) mein Wohlwollen, um das ich mich prinzipiell bemühe.
  2. Die Lösung von Problemen steht selten auf dem Charakterbogen. Eure Ideen sind wichtiger.
  3. Das Spiel funktioniert am besten, wenn ihr mir viele Fragen stellt.

Das hat dann auch tatsächlich wunderbar funktioniert. Es wurde wirklich wenig gewürfelt, denn die Spieler*innen bewegten sich vorsichtig, interagierten clever mit ihrer Umwelt, und stellten mir die passenden Fragen.

Meine größte Leistung an diesem Tag war es, die Anzahl der Spieler*innen auf drei zu begrenzen. Gerade bei der Lautstärke im Tales Untold war das optimal. Ich konnte meine Mitspielenden verstehen, wurde nicht heiser, und alle bekamen ausreichend Spotlight.

Das ist mein #1 Tipp für deinen nächsten Con-Besuch: Du bist nicht verpflichtet, so viele Spieler*innen wie möglich in deine Runde aufzunehmen, nur weil du auf einer Con leitest. Drei bis vier Spieler*innen ist die optimale Zahl; vor allem, wenn sich niemand kennt und man noch kein eingespieltes Team ist.

Zu den Mörk Borg Dungeons von Philipp greife ich inzwischen blind, denn sie sind immer ein Garant für hohe Qualität und absurdes Zeug.
Seine beiden Print-Werke rezensierte ich schon ausführlich:
Den of Disarray,
BÖESER.
Außerdem bastelten wir zusammen an:
5-min-Workday, einem kleinen Solo-Rollenspiel,
Date mit dem Tod, einem Kriminalfall für Bad Bründlholz oder Brindlewood Bay.

Liminal Horror: Camp Coldwater

Abends ging ich dann campen. Barti vom Rollenspiel-Blog Würfellustbarkeit organisierte einen gemütlichen und ungefährlichen Trip nach Camp Coldwater.

Bild vom Spieltisch

Ähnlich wie ich beginnt Barti seine Runden gerne mit ein paar Fragen zum gemeinsamen Worldbuilding und mit der Verzahnung der Charaktere. So entschieden wir, Kleinkriminelle zu spielen, die Sozialstunden ableisten mussten, und deshalb zum Camp Coldwater reisten. Einer der Spieler übernahm dabei die Rolle unseres Sozialarbeiters.

Das allein war eine großartige Konstellation, die für ausreichend Drama sorgte, auch ohne die seltsamen Vorkommnisse, die sich dann ereigneten.

Das System, das wir nutzten, ist Liminal Horror. Das basiert auf dem regelleichten Cairn, auf dessen Regeln auch das bekannte Mausritter aufbaut.

Der größte Horror in dieser Runde hatte allerdings nichts mit dem Rollenspiel zu tun, sondern war der Tatsache geschuldet, dass ich kaum ein Wort meiner Mitspielenden verstand, weil es so laut war im Laden. Meistens riet ich einfach nur, was sie sagten. Keine Ahnung, ob wir überhaupt das gleiche Abenteuer spielten.

Fazit

  • Es ist großartig, eine weitere Rollenspielveranstaltung in Berlin zu haben. Der Bedarf danach ist immens.
  • Ich hatte viel Spaß. Und das, obwohl ich das Jane Austen Rollenspiel verpasst habe!
  • Dies war der erste Versuch der Veranstalter*innen, eine Con auf die Beine zu stellen. Ich bin sicher, dass sie die meisten Dinge, die reibungsloser hätten laufen können, selbst bemerkt haben. Lohnt sich also nicht, darauf herumzukauen. Das wird nächstes Jahr garantiert besser.
  • Nur der Punkt mit der Lautstärke an den Spieltischen war so störend, dass ich auf ihm herumkauen muss. Denn damit steht und fällt meine Begeisterung für so eine Veranstaltung. Ich hoffe, diesem Problem begegnen sie mit hoher Priorität.
  • Insgesamt: Schöne Sache. Vielen Dank an das Bircon-Team!

Das war der vorletzte Con-Bericht in diesem Jahr. Weiter geht es erstmal mit einem Halloween-Beitrag, nämlich einem Body-Horror-Zufallsgenerator, der schon seit zwei Jahren in meiner digitalen Schublade liegt. Wenn du diesen nicht verpassen willst, empfehle ich meinen Newsletter. Oder folge mir in den sozialen Medien, zum Beispiel auf Instagram.

4 Kommentare zu Bircon 2024

    1. Schau, da würde ich jetzt nicht spielen wollen.
      Spieltischverschwendung ist es nur, wenn niemand Spaß hat, sage ich. Und ich hätte mit 8 Leuten keinen Spaß. Schon bei 6 Leuten bin ich regelmäßig verzweifelt (-> als Spieler, nicht als SL).

      Ich sehe es auch nicht als meine Verantwortung, als Privatperson die Spieltische auf Cons optimal zu nutzen, damit möglichst viele Leute spielen können. Meine Verantwortung ist nur, denjenigen, die mitspielen, eine gute Zeit zu bieten. Und bei mehr als 4 Spieler*innen seh ich das nicht mehr. Da geht jedes Spotlight-Management hopps.

      Aber Geschmäcker sind verschieden. Ist ja okay, wenn es diverse Angebote gibt sowohl für Menschen, die sich in großen Gruppen am wohlsten fühlen, als auch für die, die in großen Gruppen untergehen würden, und deshalb kleine bevorzugen.

  1. Du löst ein Problem mit einem weiteren Problem?
    Es ist zu laut, weil die Räumlichkeiten ungeeignet sind. Also machen wir auch noch die Gruppen zu klein.
    Schön dass du Spaß hattest! Aber von deiner Beschreibung her würde ich dort nicht spielen wollen.

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