Rezension: Den of Disarray (Mörk Borg)

Beitragsbild Den of Disarray

Den of Disarray ist ein hundsgemeines Abenteuer für das OSR-Rollenspiel Mörk Borg.

Aber ist es auch gemein genung, damit du deine Spieler:innen damit so quälen kannst, wie das abscheuliche Pack es verdient hat?
Finden wir es heraus – mit möglichst wenig Spoilern, falls du es doch lieber spielen möchtest.

Aber vorher:

Hinweis zur Transparenz

Philipp Teich, der Autor von Den of Disarray, hat mir ein kostenloses Rezensionsexemplar zugesandt. Philipp besteht darauf, dass ich eine ehrliche und – falls nötig – fiese Rezension schreibe.

Damit könnte ich es belassen, aber Transparenz finde ich halbwegs wichtig. Lass mich daher noch offenlegen:

  • Das ist mein erstes Rezensionsexemplar, das ich für meinen Blog erhalten habe.
  • Ich freue mich darüber wie ein kleiner Hund über eine unbewachte Chipstüte.
  • Das hat natürlich einen positiven Einfluss auf meinen Eindruck des Abenteuers.

Ich empfehle, das beim Lesen dieser Rezension im Hinterkopf zu behalten.

Okay, jetzt wo das geklärt ist: Was für ein obszöner Schweinkram erwartet dich in Den of Disarray?

Den of Disarray – Das Abenteuer

Das eigentliche Abenteuer ist gar nicht alles, was in dem kleinen Heftchen enthalten ist. Aber es ist natürlich das pulsierende Herzstück, und das, was dich am meisten interessiert. Daher fange ich hiermit direkt an.

Das verrückte Labyrinth

Den of Disarray ist ein Dungeon-Abenteuer. Sein USP: Der Dungeon kann zufallsbasiert sein. Und zwar aus gutem Grund.

Beispielbild der beiliegenden Karte“Kann” ist hier das Zauberwort. Dem Heft liegt ein Bogen bei, auf dem der Dungeon in Hexfeldern aufgedruckt ist. Die Idee ist, die Hexfelder auszuschneiden und zusammen mit einem Skorpion in einen ranzig riechenden Beutel zu werfen. Jedes Mal, wenn die SC sich bewegen, greift jemand blind in den Beutel, um zufällig ein Hexfeld herauszuziehen, möglichst ohne dabei den Skorpion zu erwischen. Wenn ihr das überlebt, habt ihr erfolgreich euren eigenen Den of Disarray zufallsgeneriert. (Beutel und Skorpion liegen dem Produkt nicht bei.)

Das ist natürlich nur ein Vorschlag. Falls du über VTT spielst, oder einen funktionierenden Drucker hast, bietet dir Philipp die verschiebbaren Hexfelder auch in digitaler Form an, irgendwo hier unter Downloads: https://sushiundmolch.itch.io/den-of-disarray

Ein anderer Vorschlag, der – anders als das mit dem Skorpion – so auch im Abenteuer erwähnt wird, ist, den Bogen nicht auseinanderzuschneiden, sondern den Dungeon so zu verwenden, wie er auf dem Bogen abgedruckt ist. Damit entgeht dir allerdings ein Teil dessen, was Den of Disarray aumacht. Andererseits ist das eine schöne Option für wirklich faule Spielleiter, oder solche, die nicht mit Scheren umgehen können.

Wer nicht Florian heißt, sollte den Dungeon zerschneiden. Wenn die gesamte Gruppe ausgelöscht wurde, kann so die nächste Truppe an Abschaum den Dungeon betreten – und die Spieler:innen werden sich wundern, dass er komplett anders aufgebaut ist. Und auch die SCs dürften sich wundern, falls sie eine Karte des Dungeons finden, die nicht mit den tatsächlichen Begebenheiten übereinstimmt. All das ist sowohl Teil des Abenteuerdesigns, als auch der Hintergrundgeschichte: Dieser Dungeon verändert sich tatsächlich. Der Grund: Er ist durchdrungen von einem “unbändigen Groll auf die Schöpfung”. Aber hier bin ich schon knietief im

Hintergrund (of Disarray)

Ich versuche dies mal mit möglichst geringen Spoilern, falls du nur einen groben Eindruck haben willst, worum es geht:

Den of Disarray spielt in Bergen Chrypt. Also unweit des Ortes, an dem die Basiliskin SHE ihren Spross HE in die Tiefe stürzte, aus der HE nun anklagend heraufschaut.
Irgendwo dort steht der Berg Modnar, ein erloschener Vulkan. Häufige Erdbeben verändern die Form des Berges in unregelmäßigen Abständen. Dabei öffnen sich Spalten in die Tunnel und Kavernen, die Modnar durchziehen.

Es gibt keine Legende, nach der ein Schatz im Vulkan verborgen ist. Es gibt kein Heilsversprechen über wundersame Orakel, die dort hausen. Es gibt keinen offensichtlichen Grund für SCs, den Einstieg zu wagen. Aber keine Sorge: Das Abenteuer liefert 1W4 Motivationen für Charaktere oder Gruppen.
In einem dieser Hintergründe erfahren wir zum Beispiel, dass Modnar das Ziel einer Pilgerreise ist (von der noch nie jemand wiedergekommen ist). Die SCs könnten entweder selbst auf dieser Reise sein, oder als Leibwächter für eine Pilgerin fungieren.

Selbstverständlich beherbergt der Dungeon ein schreckliches Geheimnis. Ohne zuviel zu verraten: Dieses Geheimnis ist unentwirrbar verwoben mit einem Teil der offiziellen Hintergrundbeschreibung aus dem Grundregelwerk.

Den of Disarray – das Zusatzmaterial

Zusätzlich zum reinen Abenteuer besitzt das kleine Heft noch einige Extras. Darunter sind einige neue Zaubersprüche und nützliche Zufallstabellen (die aber in dem Abenteuer vielleicht etwas verschwendet sind).

Vor allem bietet Den of Disarray zwei neue Charakterklassen:

  • Die fehlgeleitete Pilgerin (mitsamt 1D8 Gründen, weshalb sie vom Weg abgekommen ist). Sie scheint ideal für die oben beschriebene Abenteuer-Motivation.
  • Den sündhaften Fleischkäfig. Hinter diesem abartig schönen Namen verbirgt sich ein gefallener Gott oder Dämon, der wegen seiner Verfehlungen in eine sterbliche Hülle gepresst wurde. Diese Charakterklasse kommt mit 1D6 bösartigen Möglichkeiten, aus der fleischlichen Hülle zu entkommen. Außerdem hat sie so stylishe Kampf-Fähigkeiten wie: “Völlerei: Du kannst deinen Mageninhalt nicht bei dir behalten und übergibst dich auf deine Gegnerin. Sie kotzt sofort vor Ekel und ist eine Runde lang betäubt.
    Ja, man muss schon eine ganz spezielle Art Mensch sein, um das unterhaltsam zu finden. Glücklicherweise zähle ich dazu.

Die Zaubersprüche und die beiden Charakterklassen gibt es hier kostenlos zum Download.

Den of Disarray – die Form

Den of Disarray hat 50 farbige Seiten im A5 (?) Format. Zusätzlich liegt der Dungeon als A4-Handout bei.

Der Text ist komplett in Englisch. Der Stil und das Layout sind uneinheitlich und wirr. Also genau richtig für Mörk Borg. Die Darstellung in Den of Disarray ist aber insgesamt etwas benutzerfreundlicher als die im Grundregelwerk. Der Inhalt ist also nicht chaotisch verteilt, die Augen bluten nur wenig.

Eine mitlaufende Dungeonkarte am Seitenrand, so wie sich das verdammt noch mal gehört, gibt es nicht. Das ergibt sich quasi zwingend aus den Gegebenheiten eines Zufallsdungeons, deshalb habe ich auch fast keinen Schreikrampf bekommen.

Mein Eindruck

Butter bei die Fische: Für einen Mörk Borg Dungeon sind doch letztlich drei Dinge ausschlaggebend.

  1. Sind Hintergrund und Motivation, in den Dungeon zu gehen, interessant für die Spieler:innen?
  2. Ist das, was die Spieler:innen im Dungeon erwartet, angemessen abartig?
  3. Ist das Abenteuer vernünftig aufgebaut, sodass man es ohne viel Zusatzarbeit spielen kann?

Die ersten beiden Punkte sind sehr subjektiv, auch der dritte ist streitbar. Diskutabel ist vor allem auch, ob du meinem Eindruck hier trauen solltest, aber hier ist er:

1. Mein Eindruck zu Hintergrund und Motivation

Den of Disarray traut sich, für seinen Hintergrund die offiziellen Setzungen aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Das macht es zu einem Abenteuer, das nicht austauschbar in jedes andere OSR-System übersetzt werden kann. Ich finde das positiv. Kannst du natürlich anders sehen, wenn du jemand bist, der gerne milden Gouda kauft. Aber für mich spricht das deutlich für die Qualität des Dungeons.

Die Motivation der Charaktere, den Dungeon aufzusuchen, finde ich gut, aber nicht großartig. Es ist schonmal toll, dass es vier verschiedene Aufhänger gibt. Jeder dieser Aufhänger kommt mit einer eigenen Queste, was die SC in den Dungeon treibt, und was sie dort überhaupt erreichen wollen. Gleichzeitig hängt aber sehr viel daran, dass die Spielleiterin am Anfang des Abenteuers diese Motivation klar und deutlich rüberbringt, damit die Spieler:innen sich nicht irgendwann fragen, was das Ganze soll. Dafür, dass dieser Part so wichtig ist, fällt er doch recht knapp aus. Hier dürfte es gerne noch mehr sein – vielleicht jeweils eine Designers Note zur Motivation, in der beschrieben wird, was man daraus als SL machen kann und wie man sie am besten präsentiert.

2. Mein Eindruck zur Abartigkeit

Den of Disarray ist bis zum Erbrechen voll mit Ideen. Ich glaube, soweit wird sich jede:r einig sein: Sobald du das Buch aufschlägst, spuckt dich mindestens eine abgefahrene Idee an.
Hier ein wahlloses Beispiel:
In einem Raum des Dungeons sitzen eventuell einige Quallen… an der Decke. Die Quallen fragen, ob die SC ihre Großmutter gesehen hätten.

Die Frage ist natürlich, ob das auch gute Ideen sind. Oder, um Mörk Borg besser gerecht zu werden: Ob das adäquat schlechte Ideen sind.
Meinen Geschmack treffen sie auf jeden Fall. Ich finde auf jeder Seite mindestens eine Idee, die mir zusagt, oft mehr.
Vor allem aber ist mein Eindruck, dass die Qualität der Ideen sehr gut zu Mörk Borg passt. Wenn du generell am Tonfall Mörk Borgs Spaß hast, stehen die Chancen gut, dass du auch mit Den of Disarray deine Freude haben wirst.
Falls dir mal hier und da eine Idee nicht gefällt, sind auf jeden Fall noch genug andere dabei, um dir nichts selbst ausdenken zu müssen. Ich zum Beispiel habe keine Ahnung, was es bedeutet, wenn den SC statt den Quallen folgendes erwartet: Nechrubel reitet auf dem Globus. Er hält alles Leben gefangen mit rostigen Eisenketten. Das pure Böse läuft über den gesamten Planeten, während die Menschheit unvorstellbare Qualen erleidet.
Äh? Ach, sei’s drum. Dann nehme ich hier einfach die Begegnung mit den Quallen. Die hat mir gefallen.

3. Mein Eindruck zum Aufbau

Ich würde mir zutrauen, Den of Disarray nach einmal Lesen zu leiten, ohne dass ich noch Arbeit reinstecken müsste. Ich sehe keine Leerstellen, die ich unbedingt noch selbst füllen müsste, damit das Abenteuer überhaupt stattfinden kann. Das weiß ich sehr zu schätzen und ich wünschte, DSA würde sich davon eine Scheibe abschneiden.

Besser geht aber natürlich immer.
Jan vom Rollenspielblog Der Fantastiker hat mich in einem Kommentar (zu finden irgendwo hier) auf folgenden Gedanken gebracht: Abenteuer sollten wie Spielanleitungen sein. Sie sollten an jeder Ecke eine Designers Note aufweisen, damit die SL weiß, warum das, was auf Seite X steht, dort steht; warum es wichtig ist; und wie man es notfalls abwandeln könnte.
Das ist natürlich eine Philosophie, die außer Jan und mir bisher niemand teilt, deshalb wäre es nicht fair, Abenteuer-Schreibenden vorzuwerfen, diesem Ansinnen nicht nachzukommen. Hier und da hätte ich mir bei Den of Disarray aber trotzdem mehr Hinweise gewünscht, was genau ich machen soll kann.

Ein Beispiel: In einem Raum können die SC bewirken, dass Scherginnen des Bösen innerhalb von D6 Runden zu ihnen ausgesandt werden.
Im freien Spiel außerhalb des Kampfes gibt es aber keine Runden. Also wann genau kommen die? Und von wo kommen sie eigentlich? Und hören die SC sie D6-X Runden vorher, damit sie sich darauf vorbereiten können?
—> Ich bin nicht unbedingt der Meinung, dass ein Abenteuer jede diese Fragen beantworten muss. Das will niemand lesen und das will niemand schreiben. Was ich mir aber wünschen würde, wäre ein Hinweis, welchen Zweck es hat, dass hier möglicherweise ein Kampf getriggert wird. Was können die SC daraus lernen oder wie kann die Begegnung das Abenteuer weiterbringen? Mit einer solchen Info ausgestattet, könnte ich selbst souverän entscheiden, wie die Antworten auf meine Fragen lauten.

Wie gesagt: Besser geht immer. Aber die Informationen, die auf den 50 Seiten stehen, sind gut genug dargestellt, um ohne Schmerzen spielleiten zu können.

Mein Eindruck zu meinem Eindruck

Finde ich Den of Disarray richtig gut?
Aber hallo!

Habe ich beim dem Lesen des Abenteuers Lust bekommen, es zu leiten?
Nicht so richtig.

Aber das ist nicht so schlimm, denn: Ich glaube, Den of Disarray ist erst dann so richtig geil, wenn man genug klassische Dungeon-Crawls hinter sich hat, um sich über etwas Abwechslung zu freuen. Und das trifft auf mich nicht zu. Deshalb spricht mich die Idee eines prozedural generierten Dungeons nicht an. Ich habe mich an “normalen” Kerkern und Verliesen noch nicht sattgespielleitet.

Den of Disarray ist vielleicht vergleichbar mit einem Erfrischungsgetränk, das richtig gut kommt nach einer anstrengenden Wanderung. Aber nicht, bevor man überhaupt losgegangen ist.

Anders ausgedrückt: Den of Disarray muss man sich erst mal verdienen.
Das habe ich noch nicht. Im OSR-Bereich habe ich noch nie die SL-Rolle eingenommen und ich fürchte, der schöpfungsfeindliche Zufallsdungeon wäre als Erstabenteuer verschwendet.

Fazit und tl;dr

Den of Disarray ist eine Kotztüte, die prall gefüllt ist mit anverdauten Ideen. Genau das ist es, was ich von einem Mörk Borg Abenteuer erwarte.
Ich empfehle das Heftchen ungefähr allen, die Spaß haben an abgefahrenem Scheiß.
Ich empfehle das Abenteuer nicht unbedingt als Einstieg in Mörk Borg oder OSR generell. Aber allen alten Hasen mit zweifelhaftem Geschmack würde ich es bedenkenlos vor den Latz knallen.
Einsteiger*innen könnten eher mit dem Folge-Abenteuer BÖESER glücklich werden.

Du kannst dir Den of Disarray auf itch.io oder auf Drivethru zulegen. Falls du in Berlin wohnst, kannst du auch mal nach Kreuzberg in den sympathischen Laden All The Problems in this World gehen.
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1 Kommentar zu Rezension: Den of Disarray (Mörk Borg)

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