DSA-Abenteuer vorbereiten und leiten

Symbolbild: Spielleiter auf der Flucht vor dem Abenteuer
Spielleiter auf der Flucht vor dem Abenteuer

Weglaufen möchte man oft, anstatt für den kommenden Spielabend das nächste Kauf-Abenteuer vorzubereiten. Denn es strengt an, kostet Zeit und Mühe, und man kann sich bei dieser Arbeit nicht nur auf das konzentrieren, was einem gut liegt. Schlimmer noch: Was einem nicht gut liegt, muss sogar besonders gut vorbereitet werden.
Es ist ein Kreuz, das alle SLs zu tragen haben, egal ob sie DSA leiten, D&D spielen oder Mörk Borg abrocken.
Egal ob du neu im Rollenspiel bist, oder schon ein alter Hase: Spielleiter*innen weltweit können sich miteinander allein durch Seufzer verständigen. Diese Seufzer überkommen jede Sprachbarriere und werden universell verstanden.

Tipps zu geben, wie man Abenteuer möglichst effizient vorbereitet und leitet, funktioniert wiederum nicht universell. Ich bin überzeugt davon, dass jeder Versuch, allgemeine Tipps zu geben, nur in nutzlosen Allgemeinplätzen enden kann. Daher konzentriere ich mich in diesem Artikel ausschließlich auf die Besonderheiten, die du beachten solltest, wenn du DSA-Abenteuer vorbereiten und leiten willst.

Was bisher passiert ist

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Dieser Artikel baut auf zwei vorherigen Beiträgen auf. Gute Nachrichten für dich: Teil des Premium-Service meines Rollenspielblogs ist, dass ich dir Arbeit abnehmen möchte, daher fasse ich aus diesen Artikeln die Punkte zusammen, die im Folgenden relevant werden. Nur wenn dich die Neugier packt und du mehr wissen willst, ist ein Ausflug in diese beiden Artikel angeraten.

Rückblick: Story und Plot im Pen & Paper 

Story und Plot im RollenspielIn Story und Plot unterscheide ich zwischen dem, was die Spielleitung vor dem Spielabend plant (=Plot) und dem, was dann Abends am Spieltisch passiert (=Story). Ich schließe den Artikel mit dem Apell an die Spielleitung: “Löse dich von dem Spielverlauf, den du geplant hast. Halte nicht zu sehr an ihm fest. Was am Ende passiert, das liegt nicht in deiner Hand. Und das sollte es auch nicht. Die Geschichte gehört allen Mitspielenden.”
Das ist ein sehr guter Ratschlag, für den ich keine Lorbeeren einheimsen werden, denn ich habe ihn mir nicht alleine ausgedacht. Du wirst ihn auch in vielen anderen Ratgebern lesen. Aber hier ist die Krux: Wie du bald feststellen wirst, gilt dieser sehr gute Ratschlag nur bedingt, wenn es um DSA geht.

Rückblick: DSA hat ein Alleinstellungsmerkmal

Alleinstellungsmerkmal DSAIn DSA hat ein Alleinstellungsmerkmal beschreibe ich ausführlicher als nötig, dass DSA eine Sonderstellung unter den Rollenspielsystemen inne hat. Ich rate dir von DSA ab, wenn du dir gerne Abenteuer selbst ausdenkst oder wenn du gerne Einzelabenteuer ohne Zusammenhang zur lebendingen Geschichte Aventuriens leitest. Wenn du aber darauf wert legst, am Spieltisch mitzuerleben, wie sich Aventurien verändert, bist du bei DSA goldrichtig. An dich richtet sich der jetzt folgende Ratgeber!

Was nicht passieren sollte

Die Quintessenzen meiner beiden Artikel lassen sich leider nicht zusammenbringen.
Der Ratschlag aus Story und Plot, die Planung dem Spielgeschehen unterzuordnen, passt einfach nicht zu dem Vorsatz, das Alleinstellungsmerkmal von DSA voll ausnutzen zu wollen.
Du siehst noch nicht, was ich meine? Dann lass mich das mit etwas weniger Nominalstil erklären…

Plot < Story

Stell dir vor, du hörst auf den sehr guten Ratschlag aus Story und Plot und hältst nicht zu sehr am Plot fest. Plot – falls du das vergessen hast – bedeutet vieles: Deine Vorbereitungen, das Abenteuer, aber auch der Metaplot. Der Ratschlag, dem du folgst, sagt dir also, dass der Metaplot weniger wichtig ist als das, was am Spieltisch passiert. Du lässt daher zu, dass die Heldinnen im Abenteuer Die Göttin der Amazonen den Erzbösewicht Xeraan töten. Als Konsequenz entfernt sich die erlebte Welt deiner Spielrunde vom offiziellen Aventurien. Xeraan wird nie Heptarch. Viele offizielle Setzungen musst du ignorieren oder uminterpretieren. Die Borbarad-Kampagne und Blutige See bekommst du noch irgendwie ohne Xeraan hin. Doch irgendwann hörst du, der Unersättliche sei ein sehr gutes Abenteuer und möchtest es gerne leiten. Aber der Unersättliche ist Xeraan. Wenn du in der erzählten Welt deiner Spielrunde bleiben willst, musst du spätestens hier kapitulieren.
Als Konsequenz daraus, dass du auf den sehr guten Ratschlag gehört hast, ergibt sich dummerweise, dass du das Alleinstellungsmerkmal von DSA nicht in vollen Zügen genießen kannst. Ja scheiße.

Also gehst du den einzigen anderen Weg…

Plot > Story

DSA-Abenteuer vorbereiten ohne zu kapitulieren

Du konzentrierst dich auf den DSA-Metaplot, denn du willst das Beste aus DSA herausholen. Du achtest darauf, dass am Spieltisch nichts passiert, was den Setzungen aus offiziellen Quellen widerspricht.

Deine Heldinnen wollen Xeraan töten, aber du ziehst alle Register der Spielleiterwillkür, sodass Xeraan entkommt. Anstatt dich zu feiern, beschweren sich deine Spieler*innen bei dir über Railroading. Und zwar zurecht, denn du beschneidest “ihre” Story zugunsten “deines” Plots. Zwar hast du Erfolg darin, dass Story und Plot bei dir deckungsgleich sind, dass also eure erzählte Spielwelt passgenau in die offizielle Weltbeschreibung integriert ist, aber deine Spieler*innen haben keinen Spaß. Sie fühlen sich machtlos und austauschbar. Ihre Rolle am Spieltisch ist nur, das nachzuerleben und abzuarbeiten, was du ihnen vorsetzt.

Schlimmer noch: Das Spielerlebnis, das du ihnen bereitest, ist so, als ob deine Mitspieler*innen Schauspieler in einem Film wären, bei dem nur der Regisseur das Drehbuch kennt, gleichzeitig aber darauf besteht, dass nicht improvisiert wird. Das kann nur zu Frust führen.

Es gilt also, genau diese beiden Probleme zu umschiffen. Wenn das gelingt, hast du das DSA-Abenteuer richtig vorbereitet und kommst gut durch den Spielabend.
Spoiler: Auch mit meinen Tipps lassen sich diese Probleme nicht zu 100% lösen. Das Dilemma zwischen Metaplot und Player-Empowerment ist nämlich grundsätzlicher Natur, und daher unvermeidbar. Positiv formuliert:

DSA-Abenteuer vorzubereiten und zu leiten gelingt genau dann gut, wenn man diese beiden Probleme minimiert.

Und das geht so…

DSA-Abenteuer vorbereiten und leiten

DSA-Abenteuer vorbereiten und leiten

Schritt 0: Lesen, verstehen, notieren

Zunächst ganz fix ein paar Allgemeinplätze, die du vermutlich ohnehin schon beachtest. Das ist das, was du bei jedem Fertig-Abenteuer durchleiden musst, egal ob DSA, D&D oder Numénera.

  • Du musst das Abenteuer mindestens einmal überfliegen und mindestens einmal komplett lesen. (Die Reihenfolge liegt bei dir. Ich überfliege immer erstmal, um zu bewerten, ob ich das Abenteuer wirklich leiten will. Oder ob ich es leiten kann. Nicht jedes Abenteuer passt zu meinem SL-Stil, oder zu meinen SL-Fähigkeiten, und das anzuerkennen ist keine Schande, sondern ein Gewinn!)
  • Wie auch der Frostgeneral in seinem Youtube-Video über das Vorbereiten von DSA-Abenteuern sagt: Wichtig ist nicht nur, das Abenteuer gelesen zu haben, sondern vor allem, es verstanden zu haben. Um das zu bewerkstelligen, bleibt bei DSA die Querrecherche nicht aus: Wiki, Quellenbände, verwandte Abenteuer aufschlagen, um nachzulesen, wovon in deinem Abenteuer die Rede ist.
  • Wichtige Dinge musst du dir notieren. Was es sich zu notieren lohnt, und wie du das am besten machst, hängt allein davon ab, wie du so gestrickt bist. Du solltest auf jeden Fall das notieren (oder zumindest mit Textmarker hervorheben), was du dir nicht gut merken kannst. Was das jeweils ist, hängt davon ab, wie dein Gedächtnis funktioniert. Ich zum Beispiel muss mir gar nichts notieren, weil ich mir gar nichts merken kann und deshalb alles notieren müsste. (Okay, das ist leicht dramatisiert. Ich habe 2-3 A4-Seiten voller Notizen pro Abenteuer. Für Online-Spiele habe ich auch immer ein paar Extra-Notizen auf OneNote offen.)

Nachdem diese Vorarbeit geleistet ist, geht es ans Eingemachte.

Schritt 1: Grenzen finden

Das Wichtigste, das ich zu verstehen versuche, wenn ich ein Abenteuer lese, ist, was die fixen Punkte sind, an denen ich nicht rütteln darf. So setze ich die festen Grenzen, innerhalb derer sich meine Spieler*innen frei austoben dürfen.

Es gibt eine Handvoll Gründe, warum etwas ein solcher Fixpunkt sein kann:

  • Du entdeckst einen Flaschenhals innerhalb des Abenteuers. Das heißt: Es ist etwas, das passieren muss, damit das Abenteuer weitergehen kann. Flaschenhälse sind meistens schlechtes Abenteuerdesign. Wenn dir ein Weg einfällt, den Flaschenhals zu umgehen, solltest du das unbedingt tun. Aber manchmal muss man einfach mit ihm leben und irgendwie durch. Wichtig ist, diese Problemstelle frühzeitig identifiziert zu haben.
  • Du entdeckst etwas, das für den Metaplot relevant ist. Denn: Du hast eine ausführliche und zeitintensive Recherche hinter dir. (Denk dran: Weil du soetwas gerne machst, bist du die SL und leitest DSA. Wenn du das nicht machen willst, finde jemanden, der es will, oder wechsle das System.) Bei dieser Recherche hast du all die Punkte notiert, die unabänderlich passieren müssen, wenn du metaplot-konform sein willst. Das besteht in den allermeisten Fällen aus der Info, wer überleben muss. (Zum Beispiel Xeraan im Amazonen-Abenteuer.)
  • Du baust etwas ins Abenteuer ein, das für die Charakterentwicklung der SCs wichtig ist. Du könntest zum Beispiel ein metaplot-unabhängiges Einzelabenteuer in deine Kampagne einbauen, allein weil darin ein Ort / eine Person / ein McGuffin vorkommt, mit dem du eine Spielerheldin konfrontieren möchtest. Wenn die SCs dann genau an diesen einen Ort nicht gehen wollen, droht der einzige Grund wegzubrechen, aus dem du das Abenteuer überhaupt spielen wolltest.

Schritt 2: Grenzen verteidigen

DSA-Abenteuer leiten: Grenzen finden und verteidigenWenn du die Fixpunkte eines Abenteuers kennst, weißt du, woran du nicht rütteln darfst. Du wirst feststellen, dass dies auch bei DSA nicht erschlagend viel ist.
Wenn es nun im Spiel um diese Fixpunkte geht, wirst du sie auf die althergebrachte Art und Weise verteidigen müssen:

I) Erst hoffst du, dass es zu keinen Konflikten kommt. Vielleicht versuchen die Helden nicht, Xeraan umzubringen, oder sie haben Würfelpech. Vielleicht finden die Heldinnen die eine Spur, die das Abenteuer voranbringt, sofort. Dann ist alles gut und du kannst beruhigt aufatmen.

II) Wenn du Pech hast, und die Heldinnen Xeraan umbringen wollen, ihm mit einem sicheren Plan den Fluchtweg abgeschnitten haben, und ihnen auch noch die Würfel hold sind, dann musst du dich damit abfinden, dass du eine unelegante Lösung brauchst:

    • Entweder du packst die Schienen aus und bestimmst mit der Macht der Spielleiterwillkür, dass Xeraan entkommt.
    • Oder – etwas eleganter – du wechselst auf die Metaebene und beichtest deinen Spieler*innen, dass hier so ein DSA-typischer Moment ist, und dass sie an dieser Stelle damit leben müssen, Schienen angelegt zu bekommen. In meiner Erfahrung schimpfen die Spieler*innen dann auf DSA, aber nicht auf mich. Und das ist okay. Auf DSA zu schimpfen hat auch etwas, das zusammenschweißt.

Das sind alles keine schönen Manöver. Gerade deshalb solltest du frühzeitig eine komplette Liste aller gefährlichen Klippen eines Abenteuers herausarbeiten. (Mein Wunsch an zukünftige Abenteuer wäre, schon von Hause aus mit einer solchen Liste zu kommen.)
Mit dieser Liste fällt es dir einerseits leichter, während des Spiels zu entspannen (nämlich immer dann wenn die SCs
nicht in der Nähe dieser Klippen sind), andererseits hast du dann die Möglichkeit, dir Strategien zu überlegen, wie du reagierst, wenn die Helden direkt auf eine solche Klippe zusteuern und keine Anstalten machen, sie zu umschiffen.

Vielleicht fällt dir etwas ein, den Flaschenhals attaktiver zu machen, sodass es wahrscheinlicher ist, dass die Helden genau diesen Weg gehen.
Vielleicht bietet Xeraan den Heldinnen etwas an, das sie unbedingt haben möchten, im Gegenzug dafür, ihn am Leben zu lassen.
Vielleicht schaffst du es, mehr Spuren auszulegen, als es das Abenteuer tut, um die Helden zu Ort X oder Person Y zu bringen.
Voraussetzung ist auf jeden Fall, dass du weißt, dass es diese Klippen gibt – und was genau sie sind.

Das alles klingt jetzt vielleicht etwas defätistisch und nach Resignation. Das ist auch so halb richtig. Du wirst keine Antwort finden auf die Frage: “Wie leite ich DSA ohne Railroading?”. Daher rate ich dir, die Frage umzuformulieren: “Wie leite ich DSA mit möglichst wenig Railroading?”.
Und die Antwort ist:

Railroade nur das, was du unbedingt musst.

Dafür ist es natürlich notwendig, erstmal zu wissen, was du “unbedingt musst”. Dies herauszufinden, sollte also einer deiner zentralen Schritte sein, wenn du DSA-Abenteuer vorbereitest.

Schritt 3: Freiheit in Grenzen

Die Grenzen des DSA-Abenteuers zu kennen, hilft dir nicht nur dabei, dich auf die problematischen Stellen des Abenteuers vorzubereiten. Es hilft dir auch beim ganzen Rest. Denn wenn du die Grenzen im Blick hast, fällt es dir leichter, zwischen ihnen die Zügel aus der Hand zu geben. Wenn sich die Helden gerade nicht in Sichtweite einer solchen Grenze befinden, ist genau der Zeitpunkt gekommen, ihnen Entscheidungsfreiheit und Empowerment zu geben. Hier kannst du auf ihre Ideen eingehen und sie machen lassen, wie sie wollen.

Ihr befindet euch auf der Durchreise in einem kleinen Dorf, das du dir gerade ausgedacht hast, der Spielermagier hat Stress mit den Bütteln angefangen und droht jetzt, mit einem Ignisphaero alles niederzubrennen? Lass ihn doch, wenn du glaubst, dass das gerade den Spielspaß fördert, oder wenn du glaubst, dass es zu Frust führen würde, es ihm irgendwie unmöglich zu machen.

Die Entscheidungen, die du den Held*innen zwischen den Grenzen des Metaplots zugestehst, müssen übrigens nicht klein oder bedeutungslos sein. Setzt sich deine Heldengruppe in den Kopf, sich zu den Göttern des Goblinstammes ausrufen zu lassen, den sie in einer Zufallsbegegnung ausgewürfelt hatten, dann kannst du das möglich machen. Will ein SC den Baron von Oberangbar bezirzen, ehelichen und sich mit ihm die Herrschaft über Oberangbar teilen? Warum nicht! Wie du aus Schritt 2 weißt, ist über seine Ehe-Verhältnisse nichts festgelegt.

Aber: Wollen die Helden den Baron von Oberangbar töten und sich selbst inthronisieren, so kollidieren sie mit dem Metaplot (und vor allem mit mir). In diesem Fall solltest du wieder die Zügel anziehen, am besten sogar die Peitsche rausholen, oder gleich mir bescheid geben, ich komme dann und kümmere mich darum, diese Saubande, sollen ihre schmutzigen Griffel vom Baron lassen, ich glaub es geht los, gleich setzt es was!

Bevor ich mich noch vergesse, hier nochmal das Wichtigste:

Wenn du weißt, was nicht geht, weißt du auch, was geht.

(Das ist in goldfarben, weil es eine Goldene Regel ist. Raffiniert, wa?)

Alles klar? Gut. Nein? Auch gut, dann bekommst du noch ein

Anwendungsbeispiel: Bahamuths Ruf – Rulat (Mini-Spoiler)

Das Cover des DSA-Abenteuers Bahamuths Ruf
Coole Kampagne: Bahamuths Ruf

Vorab: Ich halte die Details aus Bahamuths so vage wie möglich. Meine Einschätzung ist, dass du diesen Abschnitt lesen und trotzdem die Kampagne spielen kannst, ohne wirklich etwas zu wissen (außer darüber, wie man DSA-Abenteuer vorbereitet und leitet, versteht sich.)
Gut? Gut. Los geht’s

In der ausgezeichneten Kampagne Bahamuths Ruf gibt es eine Episode rund um “Die Gefangene von Perlstein”. Die Helden reisen auf die Insel Rulat und suchen einen Informationsträger in dem piratenverseuchten Dreckloch, das sich Port Rulat nennt.

In dieser Episode gibt es nur drei

Fixpunkte

  • Gondrik überlebt
  • Die Gefangene von Perlstein entkommt lebend
  • Perlstein bleibt bestehen

Bei diesen drei Punkten solltest du aufpassen. Alles andere steht dir frei. Ernsthaft:

Alles andere steht dir frei!

Schwierig ist vor allem, Gondrik am Leben zu lassen, denn die Heldinnen aus Bahamuths Ruf sind vermutlich ziemlich kolossale Kampfmaschinen. Meine Lösung: Er tritt nicht direkt auf. Schwertfutter sind nur seine Schergen.

Was ist dann aber, fragst du dich vielleicht, wenn die Helden Gondriks Abwesenheit nutzen, und sich selbst zu den Herren von Perlstein und neuen Machthabern von Rulat ausrufen lassen wollen? Oder was ist, wenn sie Rulat niederbrennen wollen?

Nun, wenn sie das wollen und können, dann solltest du das zulassen, denn es entsteht kein Konflikt mit offiziellen Setzungen. Nur wenn sie dauerhaft an der Macht bleiben wollen, könnte es Probleme geben. Aber dazu haben die Helden vermutlich nicht die Gelegenheit. Sobald sie Rulat verlassen, kann Gondrik wiederkehren und sein Territorium zurückerobern. Und Rulat selbst ist so ein schäbiger Haufen Dreck: Wenn der einmal niederbrennt und danach notdürftig aus der Asche wiederaufgebaut wird, fällt das keinem auf, vor allem nicht dem Metaplot.

Etwas anders ist es mit den Kerkern unter Perlstein. Diese sollten die Heldinnen nicht vernichten können, indem sie einen Erzelementar beschwören, oder das Gebäude in den Limbus werfen, denn Perlstein könnte in Zukunft nochmal auftauchen. Dass die Anlage wieder aufgebaut würde, ist unrealistisch.

Nein ehrlich: Alles andere sind nur Vorschläge!

Hand aufs Herz: Deine Heldinnen wollen vermutlich keinen Gebrauch machen von der Freiheit, auf Rulat die Macht zu ergreifen. Niederbrennen würden sie es vermutlich, aber ihre Priorität ist, die Gefangene zu finden und anschließend in Sicherheit zu bringen. Da bleibt kaum Zeit, im großen Stil zu zündeln.

Die wirklich handfeste Freiheit, die du ausnutzen kannst, wenn du die Fixpunkte im Blick hast, ist eine andere.

Nehmen wir dieses Beispiel aus dem Text. Hier geht es um einen Informationsträger, den die Heldinnen ausfindig machen und befragen sollen:

Mehr wird [der NSC] nicht verraten, fühlt er sich doch in seiner Stadt sicher. Die Helden müssen schon alle Informationen aus ihm herausprügeln, was schnell eine Messerstecherei mit den umstehenden Piraten auslöst.

Bahamuths Ruf S. 108

Diese Sätze klingen wie eine feste Setzung. Aber – Überraschung – sie sind keine Fixpunkte! Denn die Fixpunkte habe ich oben vollständig aufgelistet. Das bedeutet also, egal wie stark sie formuliert sind: Diese Setzungen sind nur Vorschläge.

Falls der Spielfluss in deiner Runde gerade ins Stocken geraten würde, wenn der Informationsträger derart unkooperativ sein sollte, dann ignoriere diese Beschreibung und mache aus dem Halunken eine Quasselstrippe. Du hast die volle Freiheit, alles innerhalb deiner Grenzen so anzupassen, wie es dem Spielspaß deiner Gruppe förderlich ist.

Damit du beim Improvisieren nicht ausversehen über das Ziel hinaus schießt, und doch an den Grundfesten Alverans ehernen Grenzen des Metaplots rüttelst, ist es eben ein zentraler Teil der Abenteuer-Vorbereitung, die fixen Grenzen herauszuarbeiten und aufzulisten. (DSA-Kaufabenteuer könnten dir diese Arbeit abnehmen und schon eine vollständige Liste bereitstellen. Leider habe ich das noch nie gesehen.)

tl;dr: DSA-Abenteuer vorbereiten in 3 Sätzen

DSA-Abenteuer fertig vorbereitetDu willst gleichzeitig im Rahmen des Metaplots bleiben und deinen Spieler*innen größtmögliche Freiheiten bieten?
Dann liste auf, was die Fixpunkte des Abenteuers sind. Bei diesen haben die Spieler*innen eingeschränkte Freiheiten. Bei allen anderen Punkten im Abenteuer ermöglichst du ihnen zum Ausgleich maximale Freiheiten.

Das war’s.

 

Anmerkungen, eigene Erfahrungsberichte, Nachfragen oder grobe Irrtümer meinerseits? Dann schrei mir gerne was in die Kommentar-Spalte. (Nein, ich hab da keinen Buchstaben vergessen.)

Willst du mehr über die Eigenheiten und Eigentümlichkeiten von DSA-Abenteuern lesen? Dann interessieren dich vielleicht meine Artikel: Danke für nichts. 5 Fälle, in denen DSA-Autoren Spielleiter im Stich lassen, oder: Was will mir der Autor damit sagen? 3 Fälle, in denen DSA-Autoren Rätsel aufgeben.

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7 Kommentare zu DSA-Abenteuer vorbereiten und leiten

  1. Ich spiele seit Jahren hauptsächlich mein eigenes System Triakonta, Splittermond, Shadowrun 4 und Dungeonslayers. HeXXen hätte ich gern ausprobiert, es kam aber letztlich leider die Runde nicht zustande, auch Ironsworn habe ich zwischendrin kurz angespielt.
    DSA habe ich hauptsächlich hinter mir gelassen, weil sich alle unsere alteingesessenen Runden aus diversen beruflichen und privaten Gründen aufgelöst haben – ansonsten würden wir wahrscheinlich, zumindest nebenbei, auch weiterhin 4.1 mit Hausregeln spielen. Die bot auch noch für Jahre Stoff, den wir noch nicht durch hatten, ohne auf modernes Material der 5. Edition zurückgreifen zu müssen…

  2. Auch auf die Gefahr hin, unsere Küchen-Analogie überzustrapazieren: Wer den Geschmack von europäischer und märchenhafter Fantasy haben möchte und gleichzeitig Wert auf eine große Vorratskammer an vorhandenen Details und Inspirationen legt, an denen man sich *bei Bedarf* bedienen kann, wird m. E. auch ganz ohne ein Metaplot-Bedürfnis mit Aventurien glücklich. Denn auch wenn ich viele Alternativen kennen — eine andere Spielwelt, die genau diese eben genannten Eigenschaften vereint, ist mir unbekannt.

    Konkreter gesagt: Ich glaube, Aventurien ist auch dann für viele Spieler im deutschsprachigen Raum die richtige Spielwelt-Wahl, wenn sie sich für den Metaplot nur ansatzweise oder sogar gar nicht interessieren.

    DSA als System halte ich zwar für eigentlich keinen Spielertypus als beste Wahl, aber da würden wir ja jetzt ein neues Fass aufmachen… 😉

  3. Ich finde es ja nach wie vor bemerkenswert, dass die Vorbereitung von offiziellen Abenteuern (oder überhaupt von Dritt-Abenteuern) mindestens doppelt so viel, oft sogar eher fünfmal so viel, Zeit verschlingt wie die vollständige Selbstentwicklung. Wie Du so treffend feststellst, muss ein Kauf-Abenteuer ja erst mal *verstanden* werden, bei DSA zumal in seiner aventurischen Einordnung.

    Da finde ich Deinen Hinweis wichtig, dass Abenteuer doch bitte mit klaren und schnell zu lesenden Übersichten über ihre zentralen Aspekte und die absolut notwendigen Ereignisse und Entwicklungen kommen sollten. Man gewinnt aber leider den Eindruck, dass die Autoren den Wert darin nicht sehen. Gerade viele DSA-Abenteuer lesen sich leider nach wie vor wie etwas weltfremde Schul- und Studienbücher. Es fehlt der deutliche Praxisbezug zum *Spielleiteralltag*. In diesem helfen nämlich keine noch so schön geschriebenen Fließtexte, sondern vor allem klare und prägnante Übersichten, Abfolgen, Listen — am besten zum Herausnehmen.

    Eigentlich ist der gesamte Rollenspielmarkt noch zu praxisfern. Nicht nur in Abenteuern, sondern auch in Quellen- und Regelbüchern findet sich des Öfteren eine eigenwillig theoretische und distanzierte Perspektive. Hier wäre eine Besinnung der Autoren auf den tatsächlichen *Einsatzzweck* ihrer Werke wünschenswert. Rollenspielprodukte sind schließlich in den meisten Fällen *Anleitungen* — auch solche, die keinerlei Regeln enthalten. Damit finden sie sich letztlich in der selben Textgattung wie Brettspielanleitungen, PKW-Handbücher und Kochrezepte — und sollten daher auch ähnlichen Anforderungen entsprechen.

    Vielleicht wirkt es auf manchen Autor etwas plump oder unkreativ, die Eckpfeiler eines Abenteuers chronologisch und auf das Wesentliche reduziert auf einer einzelnen A4-Seite unterzubringen — doch genau das ist wirklich hilfreich! Ein Abenteuer ist schließlich nicht vor allem dann gut, wenn es interessant oder unterhaltsam geschrieben ist, sondern wenn es gut gespielt werden kann.

    Ich stimme Deinem Ratgeber fast zu 100 % zu. Gerade den Aspekt der Herausarbeitung von Fixpunkten finde ich sehr wichtig und hilfreich.

    Bei einem einzigen Punkt bin ich unsicher, ob ich Dich richtig verstehe: Hältst Du es tatsächlich für eine notwendige Voraussetzung eines DSA-SL, viel im offiziellen Informationskanon zu recherchieren, um den Spielern jederzeit eine weitestgehend authentische Aventurien-Erfahrung zu bieten? Ich selbst gehöre zwar Du dieser Sorte und finde das Recherchieren auch spannend, würde aber gleichzeitig argumentieren, dass es andere gute Gründe gibt, DSA zu leiten. Beispielsweise hat DSA doch einen ganz eigenen europäischen sagen- und märchenhaften Fantasy-Stil, und die reichhaltige Spielwelt kann auch einfach als wohlausgestattete Küche verstanden werden, in der man genau die Gewürze aus den Schränken nehmen kann, die einem gerade zusagen (und nicht unbedingt die, die laut Rezept erforderlich sind).

    1. Danke für deinen Kommentar! 🙂
      Du hast einen interessanten Punkt aufgemacht, über den ich mir noch nie Gedanken gemacht habe, bei dem ich dir aber voll zustimme: Abenteuer (und andere Rollenspielprodukte) sollten in erster Linie Anleitungen sein. Spielanleitungen. Und keine literarischen Werke. Wenn man schon beim Schreiben mit dieser Geisteshaltung ran geht, sorgt das bestimmt für ein besseres Endprodukt. – Danke für den geistigen Input. 😉
      Sehr positiv aufgefallen in dieser Hinsicht ist mir übrigens das D&D 5E Fan-Abenteuer “Das Geheimnis des Flüsterwalds”. Das werde ich beizeiten mal rezensieren.

      Zu deiner Frage: Ich würde tatsächlich nur denjenigen DSA empfehlen, die gerne recherchieren. Da nehme ich gerne dein Küchenbeispiel auf: DSA hat die wohlausgetattetste Küche überhaupt. Die ist sogar so gut ausgestattet, dass man, wenn man sie im vollen Umfang nutzen möchte, erstmal erhebliche Arbeit reinstecken muss, sich mit ihr vertraut zu machen.
      Merke: Das gilt, wenn man sie “im vollen Umfang” nutzen möchte. Möchte man sie nicht im vollen Umfang nutzen, dann reicht vielleicht auch eine andere Küche, deren Gewürzauswahl deutlich kleiner ist, in der man sich aber schneller zurechtfindet. Und in der man vor allem nicht 3W20 würfeln muss, um Wasser zu erhitzen.
      Anders gesagt: Wenn du nicht nach Rezept kochen willst, dann kannst du in der DSA-Küche auf jeden Fall auch glücklich werden. Aber es gibt dann vermutlich irgendwo eine Küche, mit der du noch glücklicher wärst.

      Siehst du das anders?

      1. “Als Konsequenz daraus, dass du auf den sehr guten Ratschlag gehört hast, ergibt sich dummerweise, dass du das Alleinstellungsmerkmal von DSA nicht in vollen Zügen genießen kannst. Ja scheiße.”
        –> Wunderbar auf den Punkt gebracht. 🙂

        Auch wenn ich schon lange kein offizielles DSA-Abenteuer mehr geleitet habe, stimme ich dem Artikel aus früherer Erfahrung zu. Recherche und Vorbereitung sind mitunter sehr aufwendig, aber genau das macht(e) in meinen Augen auch den Reiz von Aventurien aus.
        Wer schon lange spielt und wichtigen Metaplot über Jahre oder gar Jahrzehnte miterlebt hat, möchte wahrscheinlich genau dieses Alleinstellungsmerkmal. Diesen Tipp würde ich aber deinem Artikel noch voranstellen: Überprüfe, ob die Spielgruppe überhaupt die Detailtiefe und “Kanon-Verbundenheit” möchte, die DSA so besonders (und die SL-Vorbereitung so aufwendig) macht, oder ob sie eigentlich unbehelligt vom Metaplot nur ein x-beliebiges Fantasysetting bespielen will.
        In letzterem Fall ist es wesentlich einfacher, natürlich, aber das kann sich in langfristigen Spielrunden dummerweise auch ändern.

        Ich bin auch ganz bei euch in dem Punkt, dass gerade Abenteuer (aber auch viele Regelwerke in Teilen) anders aufgezogen gehörten, viel mehr aus der Perspektive der Spielweltanwendung. Ist aber in dreißig Jahren nicht passiert, nicht bei DSA, und auch andernorten kaum. Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass da der Leidensdruck anscheinend nicht hoch genug bzw. die Gruppe der “Leser-Käufer” ausreichend groß ist, dass man sich darüber noch immer keine Gedanken zu machen braucht. Schade, aber da wird echt Potential verspielt.

        1. Danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass meine Analyse bei dir Anklang findet.
          Du hast mit deinem Verbesserungsvorschlag auch völlig recht: In meinen Artikeln richte ich mich bisher an eine einzelne Person, die die SL übernimmt. Diese muss aber unbedingt in einer Session 0 abklären, ob das, was sie will, auch das ist, was die Gruppe möchte.

          Als abschreckendes Beispiel: Ich leite gerade Bahamuths Ruf – das spielt an der Ostküste. Und ich habe viel Zeit und Arbeit investiert, dass meine SpielerInnen eines Tages den (nicht so guten) Ostküsten-Roman “Koboldgeschenk” lesen können, und dabei feststellen: “Ja, die Figuren und Ereignisse aus dem Roman passen zu dem, was wir gespielt haben, und jetzt sehe ich 1-2 Dinge aus der Kampagne in einem ganz neuen Licht.”
          Aber niemand aus meiner Spielgruppe hat so viel Interesse an Aventurien, dass sie jemals auf die Idee kommen würden, den Roman zu lesen.
          Hier habe ich mir einfach nur das Leben schwer gemacht, um eine ideal-SpielerIn zu begeistern, die nur in meiner Vorstellung existiert, aber nicht an meinem Spieltisch.
          Es hat einige solcher Schnitzer meinerseits gebraucht, bis ich mich davon lösen konnte. Jetzt habe ich den Detailgrad deutlich runtergeschraubt.

          Positiv-Beispiel: In meiner alten Spielgruppe hatte mein Spielleiter für das Jahr des Feuers umfassende Stammbäume der mittelreichischen Adelsschicht ausgearbeitet, mitsamt den ganzen Beziehungsgeflechten, Rivalitäten etc. – Das war großartig, denn wir hatten nicht nur adelige SCs, sondern auch großes Interesse daran, so tief in die Welt einzutauchen. Das war also die Mühe komplett wert.

          Wie du sagst: Wenn nur die SL Interesse am Metaplot oder der Detailfülle von DSA hat, bringt das nichts. Ich würde sagen, eines muss dann fliegen: Der DSA-Kanon (zugunsten eines freien Spiels), oder DSA gesamt (zugunsten eines freieren Systems), oder halt die Spielgruppe (zugunsten von noch nerdigeren Vollnerds).
          Ich mag aber auch deinen Hinweis, dass man nicht nur in einer Session 0 abklären sollte, was die Erwartungen und Wünsche der Gruppe sind, sondern regelmäßig zwischendurch auch. Menschen ändern sich schließlich.

          Apropos Änderung: Was spielst du denn, seit du dem offiziellen DSA den Rücken gekehrt hast?

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