Story und Plot im Pen & Paper

Worst of DSA: Das Tal der Finsternis
Vergiss es, das spiel ich nicht!

Es ist vor allem der hanebüchene Plot, der Tal der Finternis zum schlechtesten DSA-Abenteuer aller Zeiten macht. Es ist hingegen nicht die Story, die dem Abenteuer ihren schlechten Ruf eingebracht hat. Denn der Begriff “Story” taugt nicht, um ein geschriebenes Abenteuer zu bewerten.
Bist du jetzt verwirrt, denn du benutzt die Begriffe “Story” und “Plot” synonym?

Nein, keine Angst, ich maße mir jetzt nicht an, dir vorzuwerfen, du würdest die Begriffe falsch verwenden, wenn du sie synonym gebrauchst. In der Alltagssprache ist es absolut unproblematisch, Story und Plot wild durcheinanderzuwerfen. Das mache ich selbst so.

Aber in narrativen Medien ist es durchaus Usus, diese Begriffe voneinander zu trennen. Das hilft bei der Analyse. Sagt man.

Willommen zu einem kleinen Stück Rollenspieltheorie.

Exkurs: Was ist der Unterschied zwischen Story und Plot im Fachjargon?

Eine einfache und populäre Unterscheidung dieser Begriffe ist die folgende:

Story und Plot im Rollenspiel
Neu: Die spannenden Abenteuer von Story und Plot!

Die Story ist das, was erzählt wird.
Der Plot ist, wie es erzählt wird.

Steigt man tiefer in das Thema ein, merkt man aber schnell, dass diese Begriffserklärung nicht ausreicht. Hinter den Begriffen steckt noch viel mehr. Gerade in der Literatur und im Film finde ich die Unterscheidung wesentlich weniger intuitiv als beim Rollenspiel. Das ist gut für die Zwecke dieses Blogs; schlecht für meine potentielle Karriere als Deutschlehrer.
Deshalb gebe ich diesen Disclaimer für den Rest dieses Abschnitts: Das hier kannst du auch einfach überlesen und zum nächsten Abschnitt springen. Hier hat der Literaturwissenschaftler in mir zugeschlagen. Aber genau wie die Literaturwissenschaft selbst kann man diesen Abschnitt ersatzlos streichen und niemand würde es bemerken.

Wenn beispielsweise Filmwissenschaftlerinnen von der Story eines Films sprechen, ist damit meistens unter Anderem das Thema gemeint, die Aussage, die mit dem Film getroffen werden soll, der Kontext, sowie der grundlegenden Handlungsfaden. Der Plot hingegen ist nur die Abfolge der Szenen – und zwar in der Reihenfolge, in der die Szenen im Film gezeigt werden, nicht unbedingt in der chronologischen Reihenfolge, in der sie in der erzählten Welt passieren. Diese Chronologie der Ereignisse ist vielmehr Bestandteil der Story.

Anstatt Story und Plot jetzt noch umständlich zu definieren – so lernt niemand seine Begriffe – ist vielleicht ein Beispiel angebracht. Die Story eines Films könnte folgendermaßen aussehen:

Jemand Fremdes drängt sich in das Leben einer Personengruppe. Eine der beteiligten Personen ist damit unzufrieden, während die anderen Personen das Fremde begrüßen. Nachdem sich alle Beteiligten emotional aneinander gewöhnt haben, wird das Fremde damit konfrontiert, unerwünscht zu sein. Es verlässt daraufhin die Personengruppe. Auf sich alleine gestellt, ist das Fremde schutzlos und gerät in Schwierigkeiten. Als die Personengruppe davon erfährt, überkommen sie ihre Differenzen und ziehen aus, das Fremde zu retten.

Das ist die Story der Filme 1001 Dalmatiner, Paddington, Ted, Sonic the Hedgehog, und vieler, vieler weiterer Blockbuster. Daran siehst du: Filme können die gleiche Story haben, aber einen so unterschiedlichen Plot, dass es spürbar unterschiedliche Filme sind.

Nach diesem kurzen, aber doch viel zu langen Ausflug ins Reich des WashatdasmitdemThemazutuns, bleibt bei mir nur eine Frage offen, die mich schon seit meinem Philologiestudium quält:

Braucht das jemand?

Die Unterscheidung ist so wenig intuitiv, das ich mich frage, ob man mir ihr wirklich mehr Klarheit gewinnen kann. Im Begriff “Story” scheint so viel zusammenzulaufen, dass ich jede Klarheit darüber verliere, was das jetzt sein soll, und wie mir das hilft. Allein aus der Wortbedeutung kommt man jedenfalls nicht weiter, denn aus dem Begriff Story (Geschichte) kann ich nicht ablesenn, dass damit zum Beispiel die Chronologie gemeint ist; aus dem Begriff Plot (Handlung) kann ich nicht ablesen, dass dieser auch in nicht-chronologischer Reihenfolge aufgezogen werden kann.

Der Punkt, den ich mit diesem Gejammer machen will, ist der: Vielleicht war die Unterscheidung der Begriffe von Anfang an nicht intuitiv und vor allem nicht relevant genug, um bei den Anwenderinnen hängen zu bleiben. Vielleicht ist das einfach kein nützliches Werkzeug. Entweder das, oder die Konzepte, die hier unterschieden werden, hätten besser andere Namen bekommen sollen, anstatt zwei äußerlich ununterscheidbare Alltagsbegriffe wie Story (Geschichte) und Plot (Handlung). Denn wenn aus den Begriffen selbst kein Unterschied ablesbar ist, geht im Gebrauch ganz schnell jedes hinreichend komplizierte Konzept unter. Auch dann ist dies kein nützliches Werkzeug.
Um noch mehr abzudriften: Je nach Medium und je nach Denkrichtung nutzt man tatsächlich auch andere Begriffe als Story und Plot, zum Beispiel histoire und discourse oder Fabula und Sujet. Von “Story” und “Plot” redet man hauptsächlich bei der Filmanalyse – und natürlich medienübergreifend im englischsprachigen Raum. Vielleicht fährt man hier mit Fremdworten tatsächlich besser.

Einstein erklärt den Unterschied zwischen Story und Plot
Einstein hat da auch nur ungefähr durchgeblickt.

Vielleicht braucht man das gesamte Konstrukt aber auch nicht, denn für alles, was narratologisch beschrieben werden kann, gibt es bereits ausreichend Begriffsmaterial in der Sprachtüte. Wenn ich über die Botschaft eines Films reden möchte, muss ich den Begriff “Story” nicht bemühen, es reicht “Botschaft” oder “Aussage”. Wenn ich eine Synopsis des Films suche, muss ich auch nicht erst überlegen, ob das jetzt Story oder Plot ist. Dass ein Film seine Geschichte nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt, erkenne ich nicht erst dann, wenn ich gelernt habe, zwischen Story und Plot zu unterscheiden, und diese Unterscheidung nicht zu kennen, hindert mich auch nicht daran, klar und verständlich über zeitliche Abfolge des Films zu reden.

Diese Kritik ist für die Rollenspieltheorie interessant, weil ich mir am Ende die Frage werde stellen müssen: Ist die Unterscheidung zwischen Story und Plot im Rollenspiel genau so überflüssig?

Zurück zum Thema: Was ist der Unterschied zwischen Story und Plot im Pen & Paper?

Ohne lange Theorie und Definitionen lassen sich Story und Plot im Rollenspiel-Kontext leicht auseinanderhalten:

Der Plot ist das, was die Spielleiterin plant. Der Plot steht im Abenteuer, in den gelben Notizzetteln, die am Abenteuer kleben, und in den GM Notes auf roll20.

Die Story ist das, was die Spielerinnen am Spieltisch aus dem Plot machen.

Worst of DSA: Mutterliebe
Kann nichtmal eine Mutter lieben: A 87 “Mutterliebe”

Durchexerziert an einem Beispiel: Im Tal der Finsternis ist ein Teil des Plots, dass die Helden zwei Mal bei ihrem Auftrag versagen, trotzdem aber von Reichsbehüterin Emer auch ein drittes Mal noch ausgeschickt werden, um den Tag zu retten. Die tatsächliche Story könnte aber sein, dass die Helden sich nach dem zweiten Versagen so sehr schämen, oder eher so sehr über die Umstände ihres Versagens ärgern, dass sie Reißaus nehmen und sich fortan im Bornland verstecken. Dort könnte die Heldengruppe dann den Plot des Bornland-Abenteuers Mutterliebe sprengen, das in meinen Augen sogar noch ein Stück schlechter ist als das Tal der Finsternis.

Man kann also festhalten: Der Plot ist ein Plan. Die Story ist das, was passiert, wenn der Plan auf Spielerkontakt trifft. Da bekanntermaßen kein Plan diesen Kontakt überlebt, ist auch klar, warum eine Begriffstrennung sinnvoll sein kann.

Mit der Gegenüberstellung von Spielleiter-Plan und Spielerkontakt lässt sich folgende These herausstellen:

Der Plot liegt in den Händen der Spielleitung. Die Story aber gehört den Spielenden.

Schaubild Story, Plot, SpielleiterIch spreche hier bewusst von den Spielenden, denn dies schließt mit ein, dass die Spielleiterin nicht nur plant, sondern gnädigerweise auch mitspielen darf. Dementsprechend hat auch sie einen Anteil an der Story. Umgekerht ist es schwieriger, jedoch können auch Spielerinnen den Plot beeinflussen, etwa durch Plot-Hooks oder selbstausgedachten NSCs in ihren Hintergrundgeschichten. 

Grundsätzlich lassen sich alle Abenteuer-Bände, sowie die Vorbereitungen der Spielleitung, eindeutig dem Begriff Plot zuordnen. Und alles, was am Spieltisch oder im Videochat tatsächlich gespielt wird, fällt unter Story.

Was fängt man jetzt mit dieser Unterscheidung an? Folgt aus ihr irgendetwas Bemerkenswertes?

Plot: Wie man Rollenspiel-Abenteuer bewertet

Wenn du der hier aufgestellten Begriffstrennung folgst, ergibt sich folgende Konsequenz: Du kannst bei einem Abenteuer den Plot bewerten, nicht aber die Story. Bewertest du die Story, so bewertest du nämlich einerseits viel mehr und andererseits viel weniger als nur das Abenteuer. Viel mehr, denn du bewertest auch die Leistung der Spielleitenden, der Spielerinnen, des Wohnzimmers oder der Qualität der Internetverbindung. Weniger, denn du bewertest nur den Teil des Plots, der es tatsächlich ins Spiel geschafft hat.

Wer die Story eines Abenteuers bewertet, der bewertet letztlich die Spielabende, die die eigene Runde mit dem Abenteuer verbracht hat. Das ist wenig objektiv und damit wenig aussagekräftig für die Zwecke einer Abenteuer-Bewertung.

Umgekehrt heißt das aber auch: Wer den Plot eines Abenteuers bewertet, der bewertet eben nicht unbedingt den Spaß, den man mit dem Plot am Spieltisch haben kann. So halte ich Schweigen aus Somerrisk für kein gutes Abenteuer. Das heißt aber nicht, dass ich damit behaupte, es könne keine Spielrunden geben, die damit viel Spaß haben werden.

Hier offenbart sich eine Grundschwierigkeit, der einerseits Rezensenten von Rollenspielprodukten ausgesetzt sind, die andererseits aber auch diejenigen, die die Rezension lesen, im Hinterkopf behalten sollten.

Die Unterscheidung zwischen Story und Plot ermöglicht mehr als die Erkenntnis, wie schwer es die Rezensenten von Nandurion haben. Sie eignet sich auch dazu, eine Grundhaltung der Spielleitung offenzulegen.

Story: Wer erzählt die Geschichte?

Wenn ich mir als Spielleiter eintrichtere, dass der Plot mir gehört, die Story aber den Spielenden, dann vermeide ich dadurch eine problematische Auffassung der Rolle, die mir als Spielleiter zusteht. Dann sehe ich ganz klar:

Spielleiter sind keine Storyteller.

Jedenfalls ist es nicht das, was sie auszeichnet, geschweige denn gegenüber Spielerinnen abgrenzt. Storyteller sind alle, die mitspielen. Meine Spielgruppe ist nicht verpflichtet, die coole Story nachzuspielen, die ich ihnen vorsetze. Die Helden sind nicht Charaktere in einer Geschichte, die ich schreibe.

Ich kann mich wehren, wie ich will: Es ist nicht meine Geschichte, die die Spieler mit ihren Charakteren erleben. Es ist genau so sehr ihre Geschichte. Kurzerhand: Es ist unsere Geschichte.

Das klingt nach einem inhaltsleeren Allgemeinplatz. Es ist aber weitaus anwendbarer als es scheint. Ich will das mit einer Anekdote aus meinem eigenen Spielleiterdasein würzen:

Der Spielleiter als Storyteller: Ein Fallbeispiel

Ich hatte diese supercoole Idee. Die Helden waren Auserwählte. Aber um diese völlig abgenutzte Trope mal interessant zu machen, wollte ich die folgenden Fragen auf eine neue Art beantworten: Wer hat sie auserwählt? Und wofür wurden sie auserwählt?

Ich stellte mir eine mächtige Figur vor, die Schicksale lenken konnte, und deren Pläne Generationen umfasste. Diese Figur würde im Leben der Heldengruppe immer wieder als Strippenzieherin auftauchen, und die Helden so in die richtige Richtung lenken. Sie würde den Helden von Anfang an klar machen, sie seien vom Schicksal auserwählt, Großes zu leisten. Die Meisterfigur selbst trat nur hin und wieder als Mentorin auf, oder um an den kritischen Wegpunkten ein Wegweise in die richtige Richtung zu sein.

Mit den Helden würde ich eine der fertigen DSA-Kampagne spielen, und sie würden denken, das Finale der Kampagne sei der Punkt, auf den alles zulief; dies sei es, wofür das Schicksal sie auserwählt habe. Tatsächlich aber ging es um etwas ganz anderes. Und so würde ich noch ein letztes selbstgeschriebenes Abenteuer an die Kampagne dranhängen. Hier würde sich das Schicksal der Helden endgültig erfüllen. Und es würde sich herausstellen, dass ihr Schicksal – beziehungsweise der Plan der Meisterfigur – lange nicht so heroisch war, wie sie ihr Leben lang dachten. Sie würden ein großes Übel befreien, das weite Teile Südaventuriens vernichten würde. Unzählige Menschen würden sterben. Ultimativ aber würde der gemeinsame Kampf gegen dieses Übel die Völker einen und für eine lange Periode des Friedens sorgen.

Zunächst würden die Helden und die Spielerinnen glauben, es ginge darum, ein übles Ungeheuer zu besiegen, mit den Kräften und Artefakten, die die Meisterfigur ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Tatsächlich aber würden sie es befreien. Nun würde die Meisterfigur auftauchen, ihnen den ganzen Plan offenbaren, und den Helden anbieten, sie in Sicherheit zu bringen, quasi als letzte Gefälligkeit und als Lohn der Mühen.

Nun würden die Helden verstehen, dass ihr lange versprochenes Schicksal kein Sieg des Guten bedeutete. Ihr Schicksal war es gar nicht, das Monster zu besiegen, sondern es zu befreien.

Und dann käme der dramatische letze Wendepunkt in ihrem Character-Arc: Jetzt, an dieser Stelle, würden sie die Möglichkeit haben, echte Helden zu werden: Sie würden nicht einfach ein großes Übel bekämpfen, und Stärke im Angesicht ihrer Feinde zeigen. Nein, sie würden etwas viel Schwierigeres vollbringen: Sie würden sich gegen ihr Schicksal stellen. Sie würden “nein” sagen zur großen Klimax, auf die ihr Leben hinaus lief. Sie würden sich umdrehen, die Strippenzieherin stehenlassen, und trotz aller Nein-Sager gegen das Monster kämpfen, und somit auch gegen ihre Bestimmung.

Wieviel epischer könnte es noch werden? Wieviel mehr ist da, als die Vorsehung selbst herauszufordern? Ja, das war doch eine Geschichte, die es wert war, erzählt zu werden.

Dieses Zusatzabenteuer am Ende der Kampagne kündigte ich an mit Worten wie: “Ich freue mich schon so lange drauf, diese Geschichte zu erzählen, die ich zusammen mit dieser Kampagne geplant habe, und dafür brauchen wir noch ein letztes Zusatzabenteuer. Wir spielen also noch einmal mehr.”

Einer meiner Spieler sagte daraufhin zu mir: “Aber bitte vergiss nicht, dass das nicht nur deine Geschichte ist, die du erzählen willst, sondern auch unsere Geschichte, die wir mit unseren Charakteren erzählen wollen. Ich weiß nicht so ganz konkret, worauf ich damit hinaus will, dir das zu sagen, aber es fühlt sich an dieser Stelle richtig an, es zu tun.”

Japp, das waren seine Worte. Mit diesem letzten kryptischen Satz, der wie dafür gemacht war, Jahre später auf ihn zurückzublicken und mit Voice-Over-Erzählerstimme zu sagen: “Damals wusste ich nicht, was er damit meinte. Aber inzwischen weiß ich es; und er hatte Recht.”

Ja, also: Damals wusste ich nicht, was er damit meinte. Aber inzwischen weiß ich es; und er hatte Recht.

Ich hatte mich über die gesamte Dauer der Kampagne ( > 1 Jahr) auf diesen epischen Entscheidungsmoment gefreut. Ich hatte ihn tausend mal in meinem Kopf abgespielt. Ich hatte mir überlegt, keinen doppelten Boden einzubauen, wie ich die Welt retten könnte, wenn die Helden nicht gegen ihr Schicksal aufbegehrten. Denn nur wenn die Entscheidung echt war, würde sie auch echtes Gewicht haben.

Ich würde diese Anekdote nicht erzählen, vor allem nicht in diesem Zusammenhang, wenn sie nicht schiefgelaufen wäre. Wenn die Helden nicht resigniert hätten am Ende, und ihr Heil in der Flucht gesucht hätten. Wenn ich damit nicht ein unterwältigendes, frustrierendes Ende einer langen Kampagne geschaffen hätte, nach dem ich erstmal für lange Zeit genug vom Spielleiten gehabt hätte. (Gut, das war nicht der einzige Grund. Der andere hatte etwas damit zu tun, wie sehr ich in der vorhergehenden Kampagne von den AutorInnen im Stich gelassen wurde. Mehr dazu liest du im verlinkten Blogartikel unter “4. Masken der Macht”.)

Nur ein kleiner SpielleiterburnoutDie schlimmste Frustration für mich aber war diese: Ich hatte mich so sehr auf diesen epischen Moment gefreut. Ich hatte alles getan, ihn herbeizuführen, was mir in den Sinn gekommen ist. Aber meine SpielerInnen haben einfach nicht mitgespielt, diese Saubande!

Und das ist auch gut und richtig so, denn es geht beim Rollenspiel nicht darum, meine Geschichte zu erzählen. Genau das hatte ich aber versucht.

Mit dieser Anekdote möchte ich folgenden Punkt unterstreichen: Dass die Story nicht dem Spielleiter gehört, ist nicht nur ein wichtiges Mindset, mit dem man an die Aufgabe des Spielleitens herangehen sollte. Es ist vor allem auch ein Mindset, das nicht selbstverständlich ist.

Story und Plot: Braucht das jemand?

Spielleiter sind keine Storyteller. Aber sie sind Plot-Schmiede. (Und das ist doch mehr als genug. Auf jeden Fall ist es mehr als genug Arbeit.)

An diesen sehr wichtigen Punkt bin ich jetzt gekommen, weil ich die Begriffe Story und Plot auseinanderdefiniert habe. Aber jetzt möchte ich die kritische Frage stellen: Wäre ich da nicht auch auf anderen Wegen hingekommen?

Brauche ich die Begriffsunterscheidung dafür wirklich?

An dieser Stelle sollte ich vielleicht endlich mal erwähnen: Die Begriffe im Pen-& Paper-Kontext zu unterscheiden, habe ich mir nicht selbst ausgedacht. Was man in der Rollenspieltheorie als Story und was als Plot bezeichnet, darüber gibt es (auch über den großen Teich hinweg) Konsens. Ich habe versucht, ein etabliertes, aber vielleicht nicht sehr bekanntes Konzept aufzugreifen und damit vielleicht den ein oder anderen zu bereichern. Nur leider muss ich mich nun der Frage stellen, ob das denn wirklich so bereichernd ist?

Es kann an meinem käsigen Hirn liegen, aber auch nachdem ich bereits längere Zeit an diesem Text geschrieben habe, weiß ich jetzt schon: Nächste Woche werde ich mich nicht mehr erinnern, ob es jetzt der Plot war, der den Spielenden gehört, oder die Story. Zu austauschbar sind die Begriffe.

Das sagt mir vor allem eines: Für die Erkenntnis, dass die Spielleiterin nicht entscheidet, wie die Geschichte läuft, die sie geplant hat, ist die Begriffsunterscheidung nicht notwendig. Dafür genügen Begriffe wie Plan und Ausführung oder meinetwegen Theorie und Praxis.

Das, was ich hier unter dem Begriff Story vorgestellt habe, ist in meinen Augen wesentlich weniger missverständlich erklärt, wenn man es nach dem benennt, was es tatsächlich ist: Das Spielgeschehen, oder kurz: Das Spiel(en).

Der Plot hingegen, das ist entweder die Vorbereitung / die Planung oder das geschriebene Abenteuer. Beides sind so klare und unterscheidbare Worte und Dinge, dass ich mich frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, sie unter demselben Oberbegriff “Plot” zusammenzufassen. Sorgt das nicht eher für Verdunkelung als für Erhellung?

Fazit

Okay, es ist Zeit, die Tüte zu zu machen. Was solltest du aus diesem Artikel mitnehmen? Die Begriffe Plot und Story zu unterscheiden jedenfalls nicht.

Der tl;dr ist eher dieser hier:

Liebe Spielleiterin, löse dich von dem Spielverlauf, den du geplant hast. Halte nicht zu sehr an ihm fest. Was am Ende passiert, das liegt nicht in deiner Hand. Und das sollte es auch nicht.

Die Geschichte gehört allen Mitspielenden.

Ich hoffe, damit sind wir uns einig:

Wer unbedingt eine bestimmte Geschichte erzählen will, der sollte sie aufschreiben. Nicht aber sollte er erwarten, sie am Spieltisch zu erleben. Das gilt für 100 % aller Rollenspiele immer und in jedem Fall.

Außgenommen sind DSA-Abenteuer und Kampagnen. Da gelten Sonderregeln.

Facepalm
Japp.

Diesen Sonderregeln widme ich gleich zwei Blog-Beiträge. Im ersten lege ich das Fundament und erkläre, warum DSA eine Sonderbehandlung verdient. Dieses bombastische Thema erwartet dich im Artikel DSA hat ein Alleinstellungsmerkmal.
Im zweiten Beitrag geht es dann direkt zu den Sonderregeln: DSA-Abenteuer vorbereiten und leiten.

3 Kommentare zu Story und Plot im Pen & Paper

  1. Du benutzt imho einen sehr langen – auch mit Längen versehenen – Text, um vor Railroading zu warnen; legitimerweise, wie ich sagen möchte. Mit ist der Text dennoch eine Mahnung, an das schönste Hobby der Welt nicht allzu analytisch heranzugehen. Ich wünsche dir aber trotzdem viel Erfolg mit deinen weiteren Analysen.

  2. Irgendwie liest sich das wie eine Webung dafür, warum wir Begriffe in unserer eigenen Sprache verwenden sollten. Damit wir auch wirklich verstehen wovon wir reden und nicht unsere Kompetenz einer Fremdsprache überschätzen und dann lauter Missverständnisse produzieren.

    1. Guter Punkt mit der Überschätzung der Fremdsprachenkenntnisse. Ich glaube, aber, ich würde stattdessen lieber Werbung dafür machen, deskriptivere Bezeichnungen zu nutzen, die so selbsterklärend wie möglich sind. Das ist ja nicht zwangsweise gegeben, nur weil man Worte aus der eigenen Sprache verwendet.
      Wenn wir “Story” und “Plot” z.B. mit “Geschichte” und “Handlung” übersetzen würden, wäre mir damit nicht geholfen; ich hätte dasselbe Problem, dass mir allein aus den Worten nicht klar wird, was jetzt welches Konzept beschreiben soll.

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