Rezension: Brindlewood Bay

Brindlewood Bay zählt zu meinen absoluten Lieblingsrollenspielen. Trotzdem stelle ich immer wieder fest, dass noch gar nicht alle Menschen dieses fantastische Spiel kennen. Vielleicht liegt das ja daran, dass ich zu Brindlewood Bay noch nie einen Blogartikel geschrieben habe. Das wird sofort behoben!
Brindlewood Bay Cover

Alte Frauen ermitteln

In Brindlewood Bay spielt ihr eine Gruppe alter Damen, die Kriminalfälle lösen. Ihr spielt keine jungen Heldinnen, keine alten weißen Männer, nein, ausschließlich Rentnerinnen.

Gemeinsam betreibt ihr einen Krimi-Lesezirkel. Man bezeichnet euch deshalb auch als die Krimi-Kennerinnen.

Da die Polizei in euren Augen inkompetent ist, mischt ihr euch selbständig in jeden Kriminalfall ein, der die Hafenstadt Brindlewood Bay erschüttert.

Die Vorbilder Mord ist ihr Hobby und Miss Marple sind ganz offensichtlich.

Aber es gibt auch noch einen Twist: Es kommen cthulhuide Horror-Elemente obendrein. Denn es gibt einen Grund dafür, dass so viele Verbrechen in dem kleinen Touristen-Ort verübt werden. Im Hintergrund agiert ein finsterer Kult, der irgendwas Gruseliges im Schilde führt.

Aber Brindlewood Bay ist nicht einfach nur Call of Cthulhu mit eingeschränkter Charakterauswahl. Es schlägt tatsächlich in eine ganz andere Kerbe.

Ein regelleichtes Erzählrollenspiel

Brindlewood Bay ist ein powered by the Apocalypse Spiel (kurz: PbtA). Ich gehe jetzt nicht zu sehr in die Tiefe, was genau das ist. Das Wichtigste sind die folgenden drei Merkmale, die für mich PbtA-Rollenspiele ausmachen:

  • Man redet nicht von “Proben”, um zu sehen, ob eine Aktion erfolgreich ist, sondern von “Spielzügen“,
  • Spielzüge haben nicht nur Erfolg und Misserfolg, sondern noch Teilerfolge,
  • PbtA-Spiele geben sehr viel Erzählrecht an die Spieler*innen ab.

Was nicht allen PbtA-Spielen gemein ist, was aber auf Brindlewood sehr stark zutrifft: Es ist sehr regelleicht. Den Spieler*innen hast du die Regeln innerhalb von wenigen Minuten in der Session 0 erklärt. Die Spielleitung selbst braucht noch ein paar Regeln mehr, diese sind aber auch in Windeseile gelesen und verstanden.

Mehr dazu, was ein PbtA-Rollenspiel ausmacht, erläutere ich im Plädoyer gegen Definitionen.
Was eigentlich ein Erzählrollenspiel ist, und was es von anderen Rollenspielen unterscheidet, erfährst du im Artikel: Trad-Games, OSR, Erzählrollenspiele – die 3 Rollenspiel-Arten.

Brindlewood Bay ist kein Mystery-Spiel

Liebst du es, Geheimnisse zu ergründen, dich durch liebevoll gestaltete Handouts zu arbeiten, und jeder heißen Spur zu folgen, um zu ermitteln, wer und was wirklich hinter dem seltsamen Todesfall in Florians Süßigkeitenkammer steckt? Dann ist Brindlewood Bay nichts für dich. Oder besser: Dies ist nicht die Erwartung, mit der du an Brindlewood herangehen solltest. Mit der richtigen Erwartungshaltung könnte Brindlewood natürlich auch was für alte CoC-Hasen sein.

Bei Brindlewood Bay wird Erzählrollenspiel groß geschrieben. So groß, dass die Auflösung des Falls nicht fest steht.

  • Wer hat die Snacks geklaut? Steht nicht fest.
  • Wie hat die Täterin es in die verschlossene Süßigkeitenkammer geschafft? Steht nicht fest.
  • Wieso ist in Florians Wohnung alles voller Hundehaare? Wegen Lotti.

Wenn ich sage: “Steht nicht fest”, meine ich damit nicht, dass die Spielleitung mit diesen Fragen alleine gelassen wird. Das ist kein Fall von Danke für nichts.

Als Spielleitung streust du einfach nur Hinweise aus. Die Spielenden sammeln diese Hinweise. Am Ende basteln sie daraus gemeinsam eine Erklärung für das Verbrechen. Dann wird gewürfelt, ob die Theorie der Krimi-Kennerinnen zutrifft, ob sie gar die falsche kleine Hündin verdächtigen, oder ob die Verbrecherin entkommt.

Die Spielleitung muss sich über den Fall also weniger Kopfzerbrechen bereiten als die Spieler*innen. Eine erfrischende Umkehr der üblichen Verhältnisse, finde ich.

Klar, das ist ungewöhnlich. Mich hat das Anfangs sogar abgeschreckt. Ich habe lange gebraucht, bis ich diesem Spiel eine Chance gegeben habe. Aber: Die Erklärung für den Fall kreativ auszutüfteln, ist ein ganz eigener Spaß, den es nur in Brindlewood Bay gibt.

Naja, und in verwandten Spielen. Und in dem Brettspiel Crimebox Investigation. Aber sonst nur hier!

Plädoyer an dich

Es wird nicht alt

Falls du noch zögerst, und dich fragst, ob das Konzept von schrulligen Rentnerinnen sich nicht ziemlich schnell abnutzt: Genau dafür sind die Horrorelemente da!

Diese werden langsam aufgebaut und schrittweise intensiviert. Das Spiel fängt gemütlich, witzig und liebevoll an, ändert aber irgendwann seinen Tonfall. So bleibt das Spielerlebnis frisch und abwechslungsreich.

Tu es!

Du solltest Brindlewood Bay unbedingt ausprobieren. Zu sehen, wie deine Freund*innen ihre Rentnerinnen verkörpern, ist gut investierte Lebenszeit.

Und wer weiß, vielleich entdeckst du auch den Spaß daran, Theorien zu spinnen, und erzählspielerisch herauszufinden, wer meinen Süßkram geklaut hat, anstatt das in der DSA-Anthologie “Krümel, Keks und Karnivore” nachzulesen.

Außerdem solltest du natürlich darüber nachdenken, meinen Newsletter zu abonnieren. Dann erfährst du nämlich als erstes, wenn die nächsten Artikel in meiner kleinen Brindlewood-Reihe erscheinen:

Lange Schatten in Bad Bründlholz – Das bayerische Brindlewood Bay
Date mit dem Tod – Ein romantischer Kriminalfall für BB
Brindlebirth Day – Ein persönlicher Kriminalfall
Brindlewood Bay vs. Public Access – Ein Vergleich

Übrigens: Richtige Rollenspiel-Kennerinnen lassen einen Klick auf das Gefällt-Mir-Herz da, wenn ihnen diese Rezension gefallen hat, oder wenn sie einfach Cozy Crime Geschichten lieben.

3 Kommentare zu Rezension: Brindlewood Bay

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