Public Access vs. Brindlewood Bay

Public Access vs Brindlewood Bay Titelbild

Brindlewood Bay und Public Access sind zwei sehr ähnliche Spiele. Kein Wunder, stammen sie doch aus derselben Feder. Über Gemeinsamkeiten und Unterschiede informiere ich dich in diesem Artikel.

Zuerst erkläre ich natürlich, was es mit diesen Spielen auf sich hat. Wenn du schon grob im Bilde bist, worum es in beiden Spielen geht, kannst du auch direkt zum Vergleich springen.

Worum gehts in Brindlewood Bay?

Brindlewood Bay ist ein Erzählrollenspiel, in dem die Spieler*innen alte Damen verkörpern, die Kriminalfälle lösen. Zusätzlich stolpern sie nach und nach über Hinweise, dass eine große cthulhoide Verschwörung im Gange ist, die die Fälle miteinander verbindet.

Mehr zu Brindlewood Bay und seinem bayerischen Ableger Bad Bründlholz verrate ich in den verlinkten Reviews.

Worum gehts in Public Access?

Public Access spielt 2004 in New Mexiko. Die Spieler*innen verkörpern junge Menschen in ihren Zwanzigern, die nach längerer Abwesenheit in ihre Heimatstadt Deep Lake zurückkehren. Was sie zurückgebracht hat, ist das Mysterium um eine verschwundene Public Access TV Station. Das Mysteriöse daran: Außer den SCs kann sich niemand an diese Station erinnern.

Bevor die SCs dieses Mysterium auflösen können, müssen sie sich jedoch allerhand anderen Steltsamkeiten stellen, die in Deep Lake vorgehen.

Gemeinsamkeiten

Story: Die gleiche Erzählstruktur

  • In beiden Spielen gibt es einzelne Fälle, die aufgelöst werden wollen. Dazu müssen die Spielenden erst Hinweise sammeln. Dann sollten sie die Hinweise zu einer schlüssigen Theorie zusammenbauen. Am Ende wird gewürfelt, ob die Theorie richtig ist.
  • Eine Kampagne besteht aus einzelnen Fällen; es gibt beide Male einen übergreifenden Handlungsbogen, der in einem Abschlussfall mündet.

Regeln: Public Access ist Carved from Brindlewood

Public Access benutzt die gleichen Regeln wie Brindlewood Bay.

  • Die gleichen Attribute,
  • die gleiche Würfelmechanik,
  • die gleiche Mechanik der XP-Vergabe durch eine Auswahl an kleinen Aufgaben für die Sitzung,
  • die gleiche Mechanik, Würfelergebnisse zu verbessern, indem man eine Liste an Fragen abarbeitet, die nach und nach den Hintergrund des SCs definieren, oder ihn dem Abgrund näher bringen,
  • die gleichen Regeln für Vorteil- und Nachteilswürfe über Gegenstände und Zustände,
  • die gleiche Möglichkeit, unliebsame Zustände über ein charaktereigenes Steckenpferd loszuwerden.

Und noch viel mehr.

Das tl;dr ist: Wenn du schon die Regeln eines der beiden Spiele kennst, brauchst du unter eine Minute, um dich ins andere einzufinden.

Unterschiede

Genre: Purer Horror vs. Hybrid

  • Public Access ist Horror mit Horror, während Brindlewood Krimi mit Horror ist.
    Was ich damit meine: In Brindlewood entwickelt sich die Kampagne von cozy-crime-Fällen zum Horror-Abschlussfall. In Public Access münden die Horror-Fälle in einen Horror-Abschlussfall.
    Beides hat seinen Reiz. Einerseits der interessante Genre-Wechsel bei Brindlewood, andererseits der klare Fokus in Public Access.
  • Die Art des Horros ist jeweils eine andere: Public Access bedient VHS- und Analog-Horror, bei Brindlewood geht es um finstere Kultistinnen, die unbegreifliche Schrecken beschwören wollen.

(Kurzer Hinweis zur Begriffsverwendung: Ich nenne das Genre in beiden Fällen Horror, könnte aber genausogut Mystery schreiben. Beide Begriffe haben in diesem Kontext ihre Vor- und Nachteile. Horror klingt krasser als die Spiele am Ende sind; Mystery ist mehrdeutig, weil man so auch ganz profane Krimis nennt. Ich habe beschlossen, mich hier mit der Begriffsfrage nicht weiter aufzuhalten und einfach Horror zu schreiben.)

Setting & Stimmung: 90er vs. 90-Jährige

Auch emotional kochen beide Spiele jeweils ihr eigenes Süppchen:

  • Public Access versucht sich an 90er-Nostalgie,
  • Brindlewood spricht deine Sehnsucht nach mehr Miss Marple und Mord ist ihr Hobby an.
  • Public Access ist melancholisch, traurig, verstörend und gruselig,
  • Brindlewood Brindlewood Bay ist gemütlich, schrullig, herzerwärmend… plötzlich cthulhuid. Und dann wieder gemütlich.

Trotz der vielen Gemeinsamkeiten fühlen sich beide Spiele deutlich anders an: Meine Brindlewood-Runden waren bisher größtenteils lustig, erheiternd, und gemütlich. In Public Access war es hingegen von Anfang an bittersweet und sehr emotional. Mehr als einmal hatte ich Pippi in den Augen. Gelacht wurde zwar auch viel, aber immer auf die Gefahr hin, dass es im Halse stecken blieb.

Spielstruktur: Spielphasen vs. Tea-Time

Public Access hat eine strengere Struktur als Brindlewood Bay. Sie sieht so aus:

  • Dawn-Phase 1: Die Buchhaltungsphase, in der die Fragen angekreuzt werden, deren Antwort über die XP-Vergabe entscheiden.
  • Day-Phase: Der Hauptteil des Spiels findet hier statt. Am Tage werden Hinweise gesammelt, Nachforschungen angestellt, oder – in meinem Fall – Unmengen an Brokkoli eingekauft.
  • Dusk-Phase: Eine kurze Vorbereitungsphase, in der die Nacht-Phase besprochen wird. Hier ist eine gute Gelegenheit für die SCs, noch einen Nostalgic-Move zu machen (das ist das Äquivalent zum Gemütlichen Spielzug bei Brindlewood Bay).
  • Night-Phase: Hier, und nur hier, können Mysterien gelöst werden. Und nur in dieser Phase können die Odyssey Tapes angesehen werden. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
  • Dawn-Phase 2: Die Buchhaltungsphase, in der noch nicht aufgelöste Spielzüge zum Tragen kommen, und geprüft wird, welche der Fragen aus der ersten Dawn-Phase beantwortet wurden.

Diese Struktur erschien mir anfangs etwas brettspielartig. Ich habe sie aber schnell zu schätzen gelernt. Einerseits hilft sie, nichts zu vergessen (zum Beispiel die Dawn-Questions). Andererseits hilft es, einen Spielabend zu strukturieren, gerade wenn die Zeit nicht unbegrenzt ist, weil man kein junger Student mehr ist, der bis 3 Uhr Nachts ohne Reue spielen kann (das waren Zeiten, hach).

Odyssey Tapes: Der USP von Public Access

Nur in Public Access gibt es die Odyssey Tapes. In Brindlewood Bay existiert kein Äquivalent, und das ist verdammt schade. Denn die Odyssey Tapes sind so geil wie die legendäre Pressekonferenz von Tic Tac Toe. (Ja, das war die einzige 90er-Referenz, die ich für diesen Blogartikel brauchte.)

  • Innerweltlich sind die Odyssey Tapes Videokassetten mit Aufnahmen der verschwundenen Fernsehstation. Auf ihnen ist verstörender Kram zu sehen, und aus irgendeinem Grund spielen sie nur Nachts ab. Tagsüber produzieren sie lediglich Weißes Rauschen.
  • Spielmechanisch gesehen sind Odyssey Tapes kurze Story Prompts mit denen man zusammen am Spieltisch richtig gute Creepypasta erzählt. Das geht so: Du erhältst einen kleinen Text darüber, was in deinem Abschnitt des Videos zu sehen ist, gefolgt von einer Frage zu dieser Szene, die du beantworten sollst. Nach und nach erzählen nun alle Spielenden, was in ihren Szenen zu sehen ist. Zusammengefügt ergibt sich ein abgefucktes Gesamtbild, das seinesgleichen sucht.
    Die Kamera fokussiert sich auf eine kleine Hündin, die in der Sonne liegt und schläft. Was an der Szene lässt es so wirken, als hätte das Filmteam große Angst?

Nicht alle Odyssey Tapes sind gleich gut, aber die, die gut sind, sind richtig richtig gut. Dieser Teil des Spiels allein erhält von mir 100 von 100 Brokkolis.

Persönliche Meinung

Lieblingskinder

Ich habe sowohl Public Access als auch Brindlewood Bay gespielt; Public Access sogar wesentlich ausführlicher. Wenn du mich nun fragen würdest, welches von beiden ich lieber mag, dann würde ich die Antwort entrüstet verweigern. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass sich mir diese Frage selbst immer wieder aufdrängt.

Dass sich beide Spiele die Waage halten, liegt letztlich an zwei Punkten, die sich für mich ausgleichen:

  1. In Brindlewood spielt man alte Damen. Das finde ich viel interessanter als Twens. Junge Leute spiele ich in jedem anderen Rollenspiel auch, aber schrullige Krimikennerinnen gibt es nunmal nur bei Brindlewood.
    Dazu gehört auch: Die 90er Nostalgie in Public Access hat bei mir nicht so gut funktioniert wie die Cozyness in Brindlewood. Die Retro-Vibes haben sich einfach nicht so richtig an den Spieltisch übertragen. Das mag natürlich einfach daran liegen, dass ich wenig Nostalgie für die 90er übrig habe, obwohl ich in diesem Jahrzehnt aufgewachsen bin. Vielleicht spricht dich das ja mehr an.
  2. Public Access hat die Odyssey Tapes. Die sind einfach fantastisch. Warum die mich so sehr begeistert haben, kann ich nur schwer beschreiben. Die muss man mal im Spiel erleben, um zu begreifen, was für mächtige Horror-Story-Prompts das sind.

Hätte Brindlewood eine vergleichbare Mechanik wie die Odyssey Tapes, wäre sie ganz klar meine Favoritin unter den beiden Rollenspielen.

Kann man das nicht übertragen?, höre ich dich fragen. Leider nicht, denn: Das einzige Medium, das so sehr im Zentrum des Settings von Brindlewood Bay steht wie es Videokassetten in Public Access tun, sind Krimis. Und Krimipasta finde ich dann doch wesentlich langweiliger als Creepypasta.

Hätte Public Access hingegen alte Krimikennerinnen als SCs, würde ich nichts anderes mehr spielen wollen als das.

Shoutout an meinen Spielleiter

Bevor ich zum Ende übergehe, in dem ich dir nahelege, auf das graue Herz zu drücken, falls dir dieser Artikel gefallen hat, und dir nebenbei noch ganz smooth die Möglichkeit eines Newsletter-Abos nahebringe, möchte ich dir noch zeigen, was mein Public Access SL für seine Spieler*innen gebastelt hat:

Eine alte Videokassette mit selbstgemachtem Cover.

Public Access VHS Tape mit Hund
Serviervorschlag. Produkt wurde ohne Hündin geliefert.

 

In der Hülle kann ich nicht nur meinen Charakterbogen und die Notizen aufbewahren. Es ist auch eine praktische Würfelarena!!

Geil? Geil!

Okay, jetzt aber: Herz drücken und Newsletter abonnieren, okay?

Lies auch die anderen Artikel aus meiner Brindlewood Bay Serie:
Brindlewood Bay – Das Original
Bad Bründlholz – Das bayerische Remake
Date mit dem Tod – Mein liebster Kriminalfall für BB

6 Kommentare zu Public Access vs. Brindlewood Bay

  1. Danke für den Artikel, scheint so als sollte ich unbedingt mal Public Access ausprobieren. Von BB hat mich bisher hauptsächlich abgehalten, dass man mich generell mit Krimis jagen kann und auch die Vorstellung alte Omis zu spielen, eher verhaltene Abneigung als Vorfreude geweckt hat.

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