DU hast meine zwei wichtigsten Ratschläge in Sachen Abenteuer-Design bereits vernommen:
Jetzt kommt der nächste Streich:
Mach es persönlich!
Ich bin der Meinung, dass Abenteuer, die für die SCs maßgeschneidert sind, den meisten Spaß bringen.
Ich zeichne erstmal ein Negativbild, von dem ich wegkommen möchte:
Stell dir vor, du hörst, wie deine Spielerin mit folgenden Worten über eure laufende Kampagne spricht: „Ich spiele einen Druiden der Stufe 2 und stecke gerade in Lost mines of Phandelver.“
Das klingt irgendwie beliebig, oder? Spielte sie statt des Druiden eine Bardin, würde eben diese ‚Lost Mines‘ erleben. Oder nimm an, du hättest beschlossen, stattdessen Die Drachen der Sturmwrack Insel zu leiten. Dann würde die Druidin jetzt dieses Abenteuer erleben.
Beides – Abenteuer und SC – sind austauschbar.
Wäre es nicht viel cooler, wenn deine Spielerin erzählen könnte: „Ich spiele einen Druiden, der seinen Hain gegen eine Bande von Zahnräubern verteidigen muss. Das wird nicht leichter dadurch, dass die Anführerin der Räuber mit der Klerikerin meiner Gruppe verwandt ist“..?
Zwei einfache Methoden für ein persönlicheres Abenteuer
Um Abenteuer oder Encounter den SCs auf den Leib zu schneidern, nutze ich zwei einfache aber effektive Tricks.
Natürlich teile ich sie gerne mit dir. Aber nur, wenn du mir versprichst, sicherzustellen, dass du dabei die Grenzen der Spielenden im Auge behältst.
1. Bring die Eltern ins Spiel
Du kannst jedes Abenteuer verfeinern, indem du die Eltern eines SCs ins Spiel bringst. Selbst fertige Kaufabenteuer erhalten dadurch ihre persönliche Note.
Das Beste daran ist: Die Eltern müssen nicht mal auftauchen. Es reicht, ihren Besuch anzudrohen.
Glaub mir: Wenn die Held*innen eine Nachricht ihrer Eltern erhalten, in dem diese schreiben, dass sie vorbeikommen wollen, schlottern die SCs stärker mit den Knien als bei einer Begegnung mit einem wütenden Basilisken.
Wichtig ist natürlich, dass der Zeitpunkt des Besuchs innerhalb des Abenteuers liegt, das gespielt wird. Am besten planen die Eltern auch, zusätzlich noch einen Ort zu besichtigen, der ein Schauplatz des Abenteuers ist.
Unangekündigt auftretende Eltern können natürlich auch viel Schrecken verbreiten. Ich bin zwar sonst kein Fan von Überraschungen, aber wenn im schlechtestmöglichen Augenblick die Eltern vor der Tür stehen, fange auch ich an zu grölen.
Für die Held*innen bedeutet das Komplikationen, denen sie sich stellen müssen, und zwar zusätzlich zu den Schwierigkeiten, die sonst noch anstehen.
Die folgenden Fragen könnten sich aufdrängen wie eine angeheiterte Tante.
- Gelingt es den SCs, den Besuch zu verhindern?
- Können sie die Eltern aus allen Schwierigkeiten heraushalten, oder geraten diese in Gefahr?
- Gibt es Geheimnisse, die die Eltern auf keinen Fall mitbekommen sollten?
- Und natürlich das Wichtigste: Erlangen die Held*innen die Anerkennung der Eltern, oder enttäuschen sie sie maßlos?
Egal wie du die Eltern ins Spiel bringst, du kannst mit ihnen jedes Abenteuer würzen, sodass es individueller schmeckt. (Aber nochmal: Stelle vorher sicher, dass du damit keine Grenzen der Spieler*innen übertrittst. Eltern können auch ein unliebsames Thema sein.)
2. Spiele Zuhause
Bring das Zuhause der SCs ins Spiel, wann immer es geht. Das kannst du natürlich nicht in jedes Szenario einbauen. Aber wenn es geht, solltest du es tun.
Dafür müssen die SCs natürlich ein Zuhause haben. Klassische Fantasy-Abenteurer*innen sind ja meistens Vagabunden. Aber mein Rat ist, ihnen trotzdem irgendwo ein Zuhause zu gönnen. In anderen Genres, zum Beispiel Cyberpunk, ist ein Zuhause selbstverständlicher. Nutze dies.
Die Gruppe kann ihr eigenes Zuhause haben, oder jede*r ein eigenes, ganz egal, wichtig ist nur, dass du den Spielenden das Erzählrecht darüber gibst, wie sie wohnen. Frag das ab. Und dann mach dies zu einem Schauplatz des Abenteuers.
Die einfachste Methode ist, den Einstieg ins Abenteuer bei einem SC abzuhalten. Streich die Taverne oder die Begegnung auf der Landstraße. Frag die Spielerin, was ihr SC an einem gewöhnlichen Dienstag Abend so tut, und dann tritt die Tür ein.
Okay, am besten ich erkläre dir an einem Beispiel, wie das aussehen kann. Ach was, ich mache gleich zwei draus.
Beispiel 1: Shadowrun – Der Run im Bademantel
Eine meiner liebsten Rollenspiel-Erinnerungen reicht in eine kleine Shadowrun-Kampagne zurück. Ich spielte Schrott, einen Straßensamurai mit veralteter Cyberware.
„Wie beginnt Schrott seinen Morgen?“, fragte mich der Spielleiter.
„Im Morgenmantel mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Die große Glasfront zeigt nur den üblichen Dauerregen und Smog, deshalb schaut er eine Trid-Serie auf der Couch.“
„Du kannst die Serie kaum verstehen, denn ein Hubschrauber fliegt um das Gebäude, in dem du wohnst, und dröhnt ziemlich.“
„Nervig.“
„Plötzlich wird deine Wohnungstür aufgesprengt. Vier vermumte Gestalten rennen in deine Wohnung. Sie haben Maschinengewehre.“
„Drek. Und ich hab nur einen Kaffee“, jammere ich. „Ich werfe mich hinter die Couch, um sie als Deckung zu benutzen.“
„Klar. Die Couch ist zwischen dir und dem Eingangsbereich. Aber in deinem Rücken ist deine große Fensterfront. Vor ihr taucht jetzt der Hubschrauber auf.“
„Oh nein.“
„Die Seitentür des Hubschraubers öffnet sich. Du siehst in eine Minigun, die sofort das Feuer eröffnet. Dein Fenster zerspringt in Scherben. Aber du bleibst vom Kugelhagel unberührt. Die Minigun feuert auf die Eindringlinge.“
„Oh ja!“
„Du siehst Redacted* in der Tür des Helikopters. Er winkt dir zu.“
„Okay, ich zögere nicht, binde meinen Bademantel zu, renne auf das offene Fenster zu und springe…“
*Name geschwärzt aus Datenschutzgründen.
Mit dem Helikopter flogen wir direkt zu einem Flugzeugträger. So ergab sich keine Gelegenheit für mich, mir etwas Passendes zum Anziehen zu besorgen. Ich erlebte diesen Run im Bademantel. Und ich liebte jede Minute davon.
Dieser Run war persönlich. Nicht nur hatte ich einen Groll gegen unsere Feinde, diese Saubande, die in meine Wohnung eingedrungen war. Ich hatte auch die Gelegenheit, meine Wohnung im Spiel zu erleben. Ich konnte für einen kurzen Moment in meiner Wohnung leben.
Okay, der Moment war wirklich sehr kurz, und ich erlebte hauptsächlich, wie mein Loft in Schutt und Asche gelegt wurde. Aber auch das war ein Heidenspaß. Denn wie genau der Überfall passierte, ergab sich daraus, wie ich meine Wohnung vorher beschrieben hatte. Wo die Eingangstür war, wo die Couch stand, wie die Fenster-Situation beschaffen war, sogar welche Kleidung ich trug, all das war meine individuelle Entscheidung gewesen. Und ich bereue nichts.
Ich kann dir nur empfehlen, es meinem Spielleiter gleich zu tun. Starte das nächste Abenteuer bei einem SC Zuhause und dann tritt die Tür ein.
Oder geh noch einen Schritt weiter. Beschränke dich nicht darauf, nur den Anfang des Abenteuers in der Held*innen-Basis zu verbringen. Du kannst auch den Hauptteil des Abenteuers dort spielen lassen. Das funktioniert am besten, wenn du dies nicht erzwingst, sondern den Spieler*innen als Option offen lässt, wie mein nächstes Beispiel zeigt.
Beispiel 2: Cy_Borg – Babysitting in der Garage
In einem Cy_Borg Oneshot sollten wir für 48 Stunden auf eine Wissenschaftlerin und ihre Kiste aufpassen. Der Job war okay bezahlt und wir hatten große Schulden, daher blieb uns nichts anderes übrig, als anzunehmen. Es blieb uns überlassen, wo wir diese 48 Stunden verbringen würden. In einem Safehouse, das uns gestellt würde, oder auch an jedem anderen Ort unserer Wahl. Hauptsache, wir passten gut auf unsere Schützlinge auf.
Die Wahl fiel auf unser Zuhause.
Wir beschlossen, dass unsere Pvnks zusammenwohnen würden. Wir klärten auch, wie es dazu kam, und wie sich das Zusammenleben gestaltete. (Es war meine „Wohnung“. Okay, eigentlich nur eine Garage mit einem fensterlosen Hinterzimmer, in dem eine Toilette versiffte. Der andere Pvnk hauste bei mir in der Badewanne, zahlte keine Miete und schnorrte sich durch.) Das gab uns gleich eine Dynamik unserer Charaktere an die Hand, die sich durch das ganze Spiel zog.
Wir kratzten alle Ressourcen zusammen, die wir hatten, improvisierten einige Verteidigungsmechanismen, und machten uns auf Ärger gefasst. Den ersten Ärger gab es gleich von der Wissenschaftlerin, die mein Zuhause als unter ihrer Würde betrachtete.
Die nächsten 48 Stunden waren ein herrliches Chaos, wie es nur Cy_Borg zustande bringt.
Babysitting gehört zu den Top 3 meiner liebsten Cy_Borg-Erfahrungen. Niemand wird die gleiche Erfahrung damit machen wie wir. Denn wir konnten es uns auf den Leib schneidern, und das mit wenig Mühe.
Alternativen
Eltern und persönliche Räume sind zwei wirklich dankbare Themen, die du dir aneignen kannst, um deinen Spieler*innen ein unvergessliches Erlebnis zu bereiten.
Klar, du kannst ein Abenteuer auch persönlich machen, indem du jemand anderes aus dem persönlichen Umfeld der SCs auftreten lässt:
- Die/Den/They Ex,
- die Geschwister,
- die besten Freunde,
- die Nachbarn,
- den Schulhof-Bully.
Das sind alles coole Optionen. Aber meiner Erfahrung nach schlägt nichts die Eltern. Die Art, wie du den SCs damit unter die Haut gehen kannst, wird von niemand anderem übertroffen.
Ähnliches gilt für das Zuhause. Es gibt auch andere interessante Orte, die den SCs etwas bedeuten.
- Das Lieblingsrestaurant,
- der Arbeitsplatz,
- die alte Schule/Akademie/Ausbildungsstätte,
- der Beifahrersitz des eigenen Autos,
- das Elternhaus.
Wichtig ist hierbei vor allem, dass du die Spieler*innen selbst beschreiben lässt, wie sie sich diese Orte vorstellen. Das macht dann auch für die Spieler*innen persönlich, und nicht nur für ihre Charaktere.
Aber nichts wird sich so persönlich anfühlen wie die eigenen vier Wände.
Das gilt auch für dich!
Bisher richtete sich der Artikel an Spielleitungen. Aber als Spieler*in kannst du auch deinen Teil dazu beitragen, Abenteuer zu individualisieren. Das wird dir und dem Rest der Gruppe wesentlich mehr Spaß bringen.
Schon bei der Charaktererschaffung kannst du darauf achten, deinen Charakter mit dem zu verknüpfen, was du über das anstehende Abenteuer oder die Kampagne weißt. Du weißt, dass du in einer bestimmten Gegend spielen wirst? Komme aus dieser Gegend; habe Wurzeln dort, oder zumindest einen verschollenen Ex-Freund.
Aber auch später im Spiel kann dies möglich sein. Falls ihr ein Erzählrollenspiel spielt, oder falls die Spielleitung euch manchmal das Erzählrecht abgibt, rate ich dir, folgendes Motto zu beherzigen: Mach es so persönlich wie möglich.
Falls dich die Spielleitung zu Spielbeginn fragt, warum deine Abenteurerin sich in den Turm der bösen Nekromantin wagt, antworte mit: „Die Nekromantin ist meine Mutter.“
Zack, schon wird der gesamte Spielabend unvergesslich.
Natürlich solltest du dich nicht so sehr in den Mittelpunkt stellen, dass man dir main character syndrome vorwirft. Aber unter uns… Wenn die anderen die Gelegenheit, das Abenteuer zu personalisieren verstreichen lassen, ist das nicht deine Schuld. Sei ein Vorbild: Nutze jede Gelegenheit, die Story, die ihr erlebt, so persönlich wie möglich zu machen.
Es gibt sie viel zu selten: Artikel, die sich an Spieler*innen wenden, und nicht nur an Spielleitungen. Falls du davon mehr lesen möchtest, wirf doch mal einen Blick in meine Tipps für Spieler*innen.
Ein persönliches Fazit
Hast du weitere Ideen, wie man ein Abenteuer individualisieren kann? Dann freue ich mich über deinen Kommentar.
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Suchst du ein Beispiel, wie man ein Abenteuer so persönlich wie möglich macht? Dann schau dir Brindlebirth Day an, meinen Kriminalfall für Brindlewood Bay.
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Möchtest du jetzt direkt weiterlesen? Dann empfehle diesen Artikel, in dem ich mich Tipps gebe, wie man Haustiere im Rollenspiel nicht so schnell vergisst:
Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht Rival*innen aus der Jugend auftauchen zu lassen. Den Akademie-Bulli, eine alte Lehrerin, die Frau die dir deinen ersten Freund ausgespannt hat usw.
Besonders gut ist, wenn sie sich verändert haben und nun echt nette Menschen sind. Oder tun sie nur so und täuschen alle um sie herum?
Oh ja, alles hervorragende Ideen!