Ein Mörk Borg Kurzgeschichtenband namens Journey Through the Dying Lands gammelte ein Jahr auf meiner Festplatte herum. Jetzt ist er reif.
Journey Through the Dying Lands ist das Ergebnis eines Kickstarters, das ich unterstützt, und dann lange vergessen hatte. Aber Herbst ist die Lese-Jahreszeit, das gilt für Wein und Bücher gleichermaßen. Also ist jetzt der beste Zeitpunkt dafür, mir Doom-Metal-Fantasy-Häppchen vor die Augen zu halten.
Aber ist das auch was für dich?
Weißt du was, du musst nicht erst den ganzen Artikel lesen, oder zum Fazit runterscrollen, ich geb dir das tl;dr gleich jetzt:
Journey Through the Dying Lands kann man lesen, muss man aber nicht.
Jetzt weißt du bescheid. Aber wenn du Details wissen willst… schnall dich an. Die Reise geht los.
Kurzüberblick
Journey Through the Dying Lands bietet sieben Kurzgeschichten und zwei Abenteuer auf 160 Seiten. Das Buch gibts in Print als Softcover, und digital als eBook und PDF.
Die Geschichten stammen alle von unterschiedlichen Autoren. Nein, ich hab hier nicht das Gender-Sternchen vergessen. Es sind alles Männer. Das finde ich schade und ein bisschen peinlich.
Herausgegeben wurde die Anthologie von John Baltisberger. Das ist auch der Autor der Mörk Borg Novelle Whispers of the Dead Saint.
Nach den Kurzgeschichten gibt’s noch zwei Abenteuer. Warum? Weiß ich nicht. Das macht mich auch ein bisschen unglücklich. Aber dazu später mehr.
Erstmal rasen wir durch die Geschichten selbst.
Die Kurzgeschichten im Schnelldurchlauf
Coffin Berth (Charles R Bernard)
Die Anthologie startet mit dieser Geschichte, denn sie ist auch chronologisch die erste. Coffin Berth spielt in der Vergangenheit Schleswigs, als die Sonne noch sichtbar war, und König Fathmu VII regierte. Aktuell – also zu der Zeit, in der man Mörk Borg spielt – regiert Fathmu IX.
Eine fiese Krankheit hat Schleswig im Griff. König Fathmu verhängt erstaunlich vernünftige Maßnahmen. Aber natürlich halten sich nicht alle daran. Zu den Unvernünftigen zählt auch der Protagonist.
Interessantes Setup, das mich an alte Gespenster Geschichten Comics erinnerte. Leider klickte der Schreibstil so gar nicht bei mir.
Ich empfinde Coffin Berth als sperrig geschrieben und zu adjektivlastig. Kann Geschmackssache sein, aber ich stolperte über jeden zweiten Satz.
The Knight and the Beast (Zac Goins)
Drei Ritter sind im Auftrag Anthelias unterwegs. Ihr Auftrag ist, ein Monster zu fangen, glaube ich. Dann stellt sich heraus, dass die ganze Sache irgendwie mit einer der Prophezeiungen zusammenhängt, die den Weltuntergang verkündet.
The Knight and the Beast versprüht viel mystisch-mörkigen Flair. Mir gefällt der Schreibstil viel besser als in der ersten Geschichte. Leider hab ich nicht wirklich verstanden, was genau da vor sich ging.
A Moss Like Wet Ashes (Nate Southard)
Ein Mädchen und ihr Hund. Und ein Ritual.
Die Geschichte kriecht zwar im Schneckentempo über die sieben Seiten, die sie umfasst. Aber mir hat’s gefallen.
Mein Lieblingssatz:
Above, clouds the color of sadness choked the sky.
Starkes Bild. Davon hätte ich gerne mehr gelesen.
Hagfish Dinner (Ian SerVaas)
Diese Kurzgeschichte handelt vom letzten Fischer auf Lake Onda.
Ich fragte mich zwischendurch, ob das hier „Fisk Borg – die Kurzgeschichte“ ist. Aber nein, unterschiedliche Autoren.
Egal, Hagfish Dinner ist hervorragend. Eine starke Geschichte.
Schreibstil gut, Handlung verständlich, Stimmung mörkig. Passt hervorragend in die Sterbende Welt.
Genau sowas wollte ich lesen.
Echoes of Eternity (Zack Allen)
Eine nebulöse Introspektion, die nur nach und nach verrät, worum (und um wen) es überhaupt geht.
Das ist ein fantastisches Rezept, mit dessen Resultat man mich grandios langweilen kann.
Nicht von Anfang an zu verstehen, worum es geht, und sich das dann nach und nach zu erschließen, kann man machen. Ich mag das nicht besonders, aber ich kann mich drauf einlassen. Aber nach fünfzehn von dreiundzwanzig Seiten war ich immer noch genau so ratlos wie am Anfang. Und nichts versprach mir, dass das noch besser werden würde.
Ich habe Echoes of Eternity mittendrin abgebrochen.
Für mich der Tiefpunkt des Bandes.
Nach solchen Geschichten neige ich dazu, das Hobby „Lesen“ nochmal zu überdenken.
I, Mycelium (Harlen Linke)
Ein drogensüchtiger „Bog Wizard“ braucht seinen nächsten Fix.
Klingt witzig, abgedreht und mörkig. Aber zumindest letzteres ist es nicht.
Nichts an dieser Geschichte deutet darauf hin, dass sie in Mörk Borgs Welt spielt. Im Gegenteil.
- Die Sonne steht am Himmel – dabei sollte sie eigentlich von einer schwarzen Scheibe verdeckt sein.
- Ein Volk intelligenter Rattenmenschen („Ratlings“) tritt auf.
Die Ratlings hat sich der Autor wohl ausgedacht, und dann so in die Geschichte eingebaut, als seien sie eine Selbstverständlichkeit. Kann man machen, nur passt das zumindest in meinen Augen gar nicht zu Mörk Borg, wo es bei all dem absurden Kram am Ende eben doch nur Menschen sind, die darin versagen, den Weltuntergang aufzuhalten. Viel der düsteren Atmosphäre geht für mich verloren, wenn man die Sterbende Welt mit anderen kulturschaffenden Spezies wie Elfen, Zwergen und derlei teilen würde.
Auch abseits des Rattenvolkes erkenne ich nichts Mörkiges wieder. I, Mycelium erweckt bei mir den Eindruck, der Autor habe sich nie mit Mörk Borg beschäftigt, hatte halt noch diese Fantasy-Kurzgeschichte im Regal, und dachte: „Das passt schon.“
Nach der Lektüre, die mich ein wenig sauer gemacht hat, stieß ich auf folgende Überraschung: Bog Wizard ist der Name einer Band. Die schrieb den Soundtrack zu Journey through the Dying Lands. Wow.
Nur leider rettet das diese Geschichte nicht vor meinem Eindruck, hier nicht rein zu gehören.
Screams of the Necropolis (John Baltisberger)
Dodz Bringare ist zurück. Das ist der Protagonist aus Whispers of the Dead Saint.
Screams of the Necropolis ist eine direkte Fortsetzung. Für mich ist das toll, weil hier einige der unaufgelösten Mysterien aus der Novelle aufgegriffen wurden. Ich glaube aber nicht, dass man Spaß an dieser Geschichte hat, wenn man die Novelle nicht gelesen hat.
Mein Lieblingssatz:
Perhaps he could bury it down here with the gods-damned dead and the damned dead gods.
Hach, ich hätte lieber direkt eine zweite Novelle von John Balistberger gelesen als diese Anthologie.
Screams of the Necropolis liefert noch etwas, das mir in den anderen Geschichten fehlt: Dialoge. Wären Dialoge Vitamin C, litte Journey through the Dying Lands unter einem schweren Fall von Skorbut.
Abenteuer
Herr Ober, da sind zwei Abenteuer in meiner Kurzgeschichtensuppe!
Die gehören da nicht rein.
Was mein scheißverdammtes Problem ist, fragst du?
Erstmal finde ich das eine unverschämte Ausdrucksweise für einen Kellner, selbst für Berliner Verhältnisse. Aber ich erklär das gern: Die Abenteuer sind genau so formatiert wie der Rest des Buches – nämlich als Fließtext.
Vergiss den Gold-Standard des Abenteuer-Designs, wie ich ihn von Mörk Borg kenne. Stattdessen Absätze um Absätze, die das Abenteuer beschreiben, als wärs ein Trad-Game.
Nein, hier tue ich Trad-Games unrecht. Selbst die kommen nicht im ePub Format.
Ja, zur digitalen Version von Journey through the Dying Lands gehört auch ein PDF. Aber das ist genau so formatiert wie das Ebook. Das macht die Abenteuer leider vollkommen unbrauchbar.
Positiv erwähnen aber kann ich: Hier ist immerhin auch mal eine Frau dabei! „Bridget D. Brave“ ist ihr Künstlerinnenname.
The Silvered Baglin (Bridget D. Brave)
Es beginnt mit einem langen Einführungstext, der in der „du“-Form geschrieben ist.
Ganz frühe DSA-Abenteuer haben das gemacht. Ich denke hier an so Klassiker wie Tage des Namenlosen. In diese Tradition reiht sich The Silvered Baglin ein.
Auch der Rest des Abenteuers ist Fließtext. Immerhin schlägt das die Brücke zwischen Kurzgeschichte und Abenteuer.
Was mir besonders unangenehm auffällt: Die Autorin kannte sich wohl nicht gut mit den wenigen Regeln aus, die Mörk Borg hat.
- „d6 presence check“ -> Gemeint ist DR6?
- SCs können Moral verlieren -> Moral haben nur NPCs.
- Einige Monster haben eine Moral von 20 und höher -> Alles über 11 macht regeltechnisch keinen Unterschied, und damit keinen Sinn.
Sowas finde ich fast schon respektlos. Diese „mach mal, und hau das Mörk Borg Label drauf, wird schon passen“-Attitüde tut Mörk Borg unrecht. Ja, es ist Punk, aber es ist nicht beliebig.
Inhaltlich verrät auch nichts, dass die Autorin sich mit Mörk Borg auseinandergesetzt hätte. Es spielt in einem Sumpf, der dem „First Duke of Cragthorn“ gehört. Das ist kein bekannter NPC aus der Sterbenden Welt. Mehr Hintergrund oder Einordnung gibt’s nicht.
Wenn The Silvered Baglin besser aufbereitet wäre, und wenn es nicht mit Mörk Borg werben würde, sondern einfach ein OSR-System deiner Wahl gedacht wäre, dann würde am Ende immer noch nichts übrig bleiben, das interessanter wäre, als etwas, das du dir selbst in einer Stunde ausgedacht hast.
Ichorthorn (Kevin Welch)
Hier geht’s immerhin direkt mit einer Verortung los: Ichorthorn ist ein Dorf am Rand von Sarkash. Ha, Sarkash – ein Name, den man kennt.
Die Einführung ist kurz. Dann geht’s mit D8 Gerüchten weiter – genau so, wie ich das gewohnt bin.
Dann hört es leider schon auf. Ichorthorn ist kein OSR-Abenteuer. Jedenfalls nicht so, wie ich das verstehe.
Hier gibt es Presence-Tests, um Geheimnisse zu finden, Agility-Tests um unentdeckt zu bleiben, etc.
Vor den Abenteuerfortschritt eine Skill-Challenge zu setzen, funktioniert in Trad-Games, in denen man gezielt daraufhinarbeiten kann, seine Werte zu verbessern. Aber vor allem in Mörk Borg, wo man nicht nur zufällige Werte ausgeteilt bekommt, sondern beim Stufenaufstieg nicht mal sicher sein kann, dass man überhaupt besser wird, sind Skill-Challenges frustrierend. Geheimnisse sollten gefunden werden, wenn die Spielenden sagen, dass sie danach suchen. Und verstecken können sollten sich alle, die rechtzeitig ansagen, dass sie dies tun wollen.
Warum rede ich hier über Abenteuer-Design? Ich wollte doch einen Kurzgeschichten-Band rezensieren!
Also:
Als Kurzgeschichte ist Ichorthorn richtig schlecht. Als Abenteuer ist es nicht besonders interessant. Aber immerhin lässt es erkennen, dass der Autor sich mit Mörk Borg auseinandergesetzt hat, und zumindest die Regeln beherrscht, wenn auch nicht den Spielstil.
Fazit
In Schulnoten bekommt Journey through the Dying Lands eine 3-, oder das Prädikat „okay“.
- Der Großteil der Geschichten hat mich okay unterhalten. Highlight des Bandes ist Hagfish Dinner.
- Zwei der Geschichten finde ich wirklich schlecht: Echoes of Eternity nervte mich so, dass ich es nicht zu Ende gelesen habe. I, Mycelium verhält sich zu Mörk Borg wie die frühen DSA-Romane (z.B. Der Drachenkönig) zu Aventurien: Passt einfach nicht zusammen.
- Die Abenteuer sind deplatziert. Aufgrund der Form als Ebook sind sie mangelhaft aufbereitet. Inhaltlich hat das erste nichts mit Mörk Borg zu tun, das zweite schon, ist aber trotzdem nicht besonders interessant.
- Insgesamt bin ich nicht begeistert. Mörk Borg ist extrem METAL, aber immer auch humorvoll. Es ist kreativ, und eine Fundgrube an makaberen Ideen. Sowas erwarte ich auch von einem Mörk Borg Kurzgeschichtenband. Das bekomme ich hier aber nur sehr selten. Besonders kreativ ist keine der Geschichten.
Wenn du Dark Fantasy lesen möchtest, rate ich zu The Throne of Bones von Brian McNaughton. Verzehrsempfehlung: als Hörbuch genießen. Denn das spricht Wayne June, der auch die Mörk Borg Lore eingesprochen hat, und den du bestimmt als den Erzähler aus Darkest Dungeon kennst.
Meine zweite Empfehlung ist, meinen Newsletter zu abonnieren und auf dem Laufenden bleiben, wenn ich hier wieder was verzapfe, das garantiert gut zu Mörk Borg passt.





Bog Wizard ist nicht bloß eine Band, Harlen Linke ist sogar deren Drummer!
Das ganze bewegt sich im Rahmen des Stoner Metals; vielleicht sind daher wild auftretende Rattenmenschen kein Wunder….
Das war ein Kickstarter? Klingt eher nach Cash Grab und dem, was bei DriveThru gaaanz schnell wieder vergessen wird ^^‘
Schade auf jeden Fall, dass es nichts geworden ist. Und jetzt hoffe ich, dass du mal was zu Fisk Borg machst. Irgendwie habe ich einen schwachen Punkt für Angel- und Fischereispiele 😀 (selber Angel ich nicht mal! Esse nicht gerne Fisch)
Ist notiert!
Mal sehen, ob ich’s zeitnah schaffe, damit mal ne kleine Runde zu spielen.
Totale Zustimmung. Leider sehr durchwachsen das ganze. Schade hier wurde eine tolle Chance vertan.
Eine Chance, die ich gesehen und erwartet hatte, war, dass sie den Titel ernst nehmen, und jede Geschichte in einer der etablierten Regionen spielen lassen, um diese nochmal anders erlebbar zu machen. Stattdessen spielen die meisten Geschichten einfach nur irgendwo; und einige nicht mal erkennbar in Mörk Borgs Welt.