Du hast alle deine Freund*innen auf dem Riesenrad vergessen und jetzt spielt niemand mit dir Mörk Borg? Nicht so schlimm. Dafür gibt es Sölitary Defilement, die Solo-Rollenspiel-Variante.
Ich habe das getestet und meine Abenteuer mitgeschrieben.
Dies sind die vorherigen Beiträge:
Sölitary Defilement #1: Der Gott im Kerker
Sölitary Defilement #2: Schlaflos in Galgenbeck
Sölitary Defilement #3: Flucht aus Galgenbeck
Sölitary Defilement: Magrot
Tag 2-7: Reise & Ankunft
Die Reise von Galgenbeck nach Schleswig dauerte fünf Tage.
- Am zweiten Tag seit Beginn dieses Journals legte die Handelskogge Merchborg aus Galgenbeck ab.
- Am dritten Tag lernte Magrot endlich Kotzis Namen: Vlöte Pinsgast von Elderich-Braunsfurten II. Magrot hatte keine Nachfragen.
- Am vierten Tag erreichten Gerüchte die Merchborg: In Graven-Tosk erheben sich die Leichen aus den Gräbern, so wie es Nechrubels Kalender prophezeite. Zum Glück befindet sich Schleswig auf der gegenüberliegenden Seite der Sterbenden Lande. Vlöte ist beunruhigt, denn einige ihrer Ahnen sind in Graven-Tosk begraben.
- Am fünften Tag hatte Magrot starkes Zahnfleischbluten.
- Am sechsten Tag legte die Merchborg in Schleswig an. Die Stadt wird gleichermaßen von Armut und von einem Despoten regiert.
- Am siebten Tag stellten Magrot & Vlöte fest, dass sie dringend Geld brauchten, um nicht zu verhungern.
Tag 8: Der Auftrag
In einer alten Villa inmitten Schleswigs hat sich ein Kult einquartiert. Die Kultist*innen leben angeblich in Saus und Braus.
Die Wirte der Taverne Sterbendes Lamm vermuten dahinter ein berüchtigtes Artefakt, den Kelch des endlosen Schmatzens. Sie bieten für diesen Kelch 2000 Silber sowie lebenslang freie Kost & Logis in der Taverne.
Magrot und Vlöte nehmen den Auftrag an. Ob sie den Kelch nicht lieber für sich behalten, werden sie später entscheiden. Zuerst nehmen sie von den Wirten Hinweise und Informationen über das Anwesen entgegen. Offenbar wird es von einer hohen Mauer umgeben. Der Haupteingang ist bewacht, aber es gibt einen Dienstboteneingang an der Seite.
Folgende Optionen eröffnen sich den hungrigen Deserteuren:
- Der Haupteingang: Vielleicht können Sie sich als Kultmitglieder ausgeben oder die Wachen anderweitig überzeugen.
- Der Dienstboteneingang: Als Dienstboten verkleidet könnten hier versuchen, sich Einlass zu verschaffen.
- Die Mauer: Wie schwer kann es sein, drüberzuklettern und dann durch den Garten zur Villa zu schleichen?
- Die Kanalisation: Die Wirte vermuten, dass die Villa einen eigenen Zugang hat, um Unrat schnell loszuwerden.
Nach kurzer Beratung entscheiden sich Magrot und Vlöte für den Haupteingang. Der Plan: Sie verkleiden sich als Kultisten. Wenn das schiefgeht, versuchen sie, die Wachen zu bestechen. Und wenn das auch nicht hilft, wird auf Waffengewalt zurückgegriffen.
„Wie sehen die Kultisten eigentlich aus?“, fragt Vlöte.
„Na, Kultisten tragen schwarze Kutten und tief ins Gesicht gezogene Kapuzen“, versichert ihr Magrot.
„Meinst du nicht, wir sollten erstmal das Haus beschatten, und herausbekommen, ob diese Kultisten nicht anders gekleidet sind?“
„Pah, na gut.“
Tag 8: Vor dem Haupteingang
In Sichtweite der Villa verstecken sich Magrot und Vlöte hinter einem Karren, und beobachten das Haus. Ein stechender Wind pfeift ihnen um die Ohren.
Es ist schon Nachmittag, als sich endlich etwas tut. Zwei Kultisten verlassen das Anwesen durch das Haupttor. Sie tragen…
„Naja, schwarz und Kapuze war schon ganz richtig, aber das ist keine Kutte, das ist ein Poncho!“, stichelt Vlöte. „Wo kriegen wir denn jetzt sowas her?“
„Welche zu kaufen ist zu teuer. Wir könnten den Kultisten hinterherschleichen, sie überfallen und uns die Ponchos schnappen“, überlegt Magrot.
Nach einem Blick in ihre gebeutelte Geldkatze stimmt Vlöte zu. „Und ich habe schon eine Idee, wie wir das anstellen!“
Tag 8: In den Straßen Schleswigs
„Heda! Sollen wir euch mitnehmen?“, ruft ein Mann mit schrecklich schlechten Zähnen vom Kutschbock eines Wagens herunter. Es ist Magrot, der den Wagen geklaut hat, hinter dem er sich den halben Tag versteckt hatte.
„Aber gern“, freuen sich die Kultisten. Sie nehmen auf dem Wagen Platz. Eine von ihnen hält sich den Bauch, aus dem ein ständiges Gluckern und Glackern zu hören ist. Offenbar hat sie viel gegessen und verdaut gerade.
„Wollt ihr denn gar nicht wissen, wo wir hinmüssen?“, fragt einer der Kultisten nach einigen Minuten.
„Achso, ja, äh, wohin denn?“, antwortet Vlöte, die auf der Ladefläche des Wagens lümmelt. Die Kultisten nennen ihr Ziel, aber weder Vlöte noch Magrot hören richtig zu.
„Ich kenne eine Abkürzung“, sagt Magrot und fährt den Wagen in eine abgelegene Seitengasse.
Tag 8: Wieder vor dem Haupteingang
Mit einem blauen Auge, einer blutenden Nase und zwei zerknitterten Ponchos, die viel zu groß sind, stehen Magrot und Vlöte vor dem Haupteingang der Villa und bitten um Einlass.
Die Wachfrauen mustern sie von oben bis unten.
„Ihr steht ja schlimm aus“, sagt die eine entsetzt.
„Ist euch was zugestoßen?“, fragt die andere voller Mitleid.
„Schlimmes Pflaster da draußen“, ergänzt die erste.
„Man kann ja wirklich niemandem mehr trauen“, lässt die andere Magrot und Vlöte nicht zu Wort kommen.
„Die Menschen verrohen total“, stimmt die erste Wachfrau kopfnickend zu.
„WIR WÜRDEN DANN JETZT GERNE REINKOMMEN!“, unterbricht Magrot rüde den Dialog.
Zu Vlötes Überraschung sind die Wachfrauen nicht brüskiert, sondern bitten die beiden herein und bieten Vlöte ein Taschentuch an, um sich die blutende Nase zu stopfen.
Die verkleideten Deserteure verabschieden sich und steuern auf das Haus zu. Aber vorher kommt…
Tag 8: Der verwilderte Garten (=Spezieller Raum 1)
Ein ungepflegter, wuchernder Garten. Hier und da liegt Erbrochenes zwischen Unkrautbüschen.
Es wird dunkler und dunkler. Magrot und Vlöte können nicht sagen, ob sich die Wolken einfach nur zuziehen, oder ob es schon Abend wird. In diesem Garten verlieren sie jedes Zeitgefühl. Aber das stört sie nicht.
Etwas abseits des kleinen Pfades leuchtet etwas rot im Gebüsch.
Magrot und Vlöte sehen nach. Etwa auf Kopfhöhe hängt ein roter Apfel von einer halbverdorrten Pflanze. Er riecht betörend süßlich.
Magrot greift nach dem Apfel.
„Vorsicht“, warnt Vlöte. „Nicht, dass der giftig ist.“
Magrot überlegt. Schließlich entscheidet er, vorsichtig zu sein, aber die Gelegenheiten auf einen Happenpappen nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Er reißt den Apfel ab und nimmt einen kleinen Bissen.
Das Obst hält, was Aussehen und Geruch versprechen. Er ist saftig und unglaublich süß.
Dann fängt Magrot an, Dinge zu sehen. Erst sind es Schmetterlinge, die aus Vlötes Augen schießen. Dann verwandeln sich seine Hände in Pfoten.
Schließlich findet Magrot sich zurück in den Bergen Chrypt, wo er aufgewachsen ist. Er saugt an den Zitzen einer Wolfsmutter, genau so, wie es sein soll.
Es ist spät in der Nacht, als die Halluzinationen nachlassen. Vlöte hat an Magrots Seite gewacht, was dieser seltsam rührend findet.
Ebenso seltsam ist die Tatsache, dass die beiden Wächterinnen tot auf dem Boden liegen. Auf seine Nachfrage reagiert Vlöte nur mit einem Schulterzucken.
Magrot beschließt, es dabei zu belassen.
Sie zerren die Leichen ins Gebüsch, nehmen ihnen einen Schlüsselbund ab, und marschieren auf das Haus zu. Die Eingangstür stellt kein Hindernis da, und so finden sie sich im Inneren einer großen zweigeschossigen Villa wieder, die zwar ihre besten Jahre schon hinter sich hat, aber dennoch ihre prunkvolle Würde bewahren konnte.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 1: Der Eingangsbereich
Es riecht säuerlich in diesem großen Korridor. Aus dem ersten Stock ist Lärm zu hören. Dort findet wohl eine Feier statt. Musik, Fußstampfen und… Stöhnen?
Eine Treppe ist hier nicht zu finden. Zwei Türen gehen ab, eine links und eine rechts.
Zwei Diener wischen gerade den Boden mit versifften Putzlappen.
Vlöte wirft Magrot einen fragenden Blick zu.
„Entschuldigung?“, spricht Magrot die Diener an. „Wo müssen wir nochmal lang, um zur Party zu kommen?“
Einer der Diener zeigt nach links; der andere nach rechts.
Seufzend öffnet Vlöte die linke Tür.
Tag 8: Spezieller Raum 2: Haupt-Korridor
Magrot und Vlöte stellen fest: Sowohl die linke als auch die rechte Türe führen in denselben Korridor, der den Eingangsbereich wie ein U einfast. Eine einzige große Türe führt weiter ins Innere des Gebäudes.
Und dann ist da noch das Pferd. Genauer gesagt: Der gewaltigen Pferdtorso, dessen Rücken die Decke des Korridors berührt. Ein Kopf ist nicht zu sehen, der Hals endet nach halber Strecke einfach. Trotzdem ist das Pferd lebendig.
Magrot und Vlöte schauen sich an.
„Ich glaube, ich würde jetzt am liebsten einfach gehen“, sagt Magrot ungewohnt kleinlaut.
Vlöte klopft ihm auf die Schulter und sagt zuversichtlich: „Wir kennen den doch. Der ist freundlich. Komm, wir gehen unter ihm hindurch, das wird schon.“
Und tatsächlich: Weder Pferdeäpfel noch austretende Hufe beenden diesen Einbruch vorzeitig.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 2: Flur
Ein Flur mit großem roten Teppich. Drei zusätzliche Türen führen in weitere Räume. Eine der Türen – die rechte – steht offen und zeigt ein gefließtes Badezimmer.
Zwischen Flur und Bad liegen mehrere Körperteile: Hände, Füße, Arme, Beine… alle säuberlich abgetrennt. Kaum Blut ist zu sehen. Einige der Gliedmaßen zucken.
Schnell öffnen Magrot und Vlöte die mittlere Tür.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 3: Master Bedroom
„Das kann nicht der Weg nach oben sein“, beschließt Magrot. „Dies ist das Hauptschlafzimmer.“ Neidisch blickt er auf das gigantische Himmelbett.
Zwei weitere Türen an der Kopfseite führen aus diesem Raum, aber Magrot zweifelt daran, dass dies ein Durchgangszimmer ist. Vermutlich führen die anderen Türen in ein Ankleidezimmer und zur Latrine.
Vlöte hat indes das Zimmer schon betreten und angefangen, herumzuschnüffeln.
Sie öffnet eine handtellergroße Dose und schaut hinein. „Iiih“, sagt sie und schaut sehr unglücklich. „Wer macht das denn in eine Dose?“
Magrot fragt nicht.
Zurück im Flur öffnen sie die linke Tür.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 4: Küche
Dies ist offensichtlich eine große Küche. Viel Arbeitsfläche, große Öfen, jede Menge Schränke und Küchenwerkzeuge.
Oh, und acht Leichen, die an den Füßen aufgeknüpft von der Decke baumeln.
Eine Luke führt wohl in den Keller.
Vlöte wird das alles zuviel und sie übergibt sich in einen Suppentopf.
„In den Keller will ich nicht“, überlegt indes Magrot. „Dann bleiben noch die beiden Türen im Schlafzimmer. Oder das Badezimmer, das vom Flur abgeht, und aus dem die Spur mit den zuckenden Körperteilen kommt.“
Als sich Vlöte ausgekotzt hat, entschließt Magrot: „Wir gehen ins Badezimmer. Dann kannst du dir auch das Gesicht waschen. Du hast da noch was.“
Als er das sagt, fangen die Leichen an, zu zucken.
„Bloß raus hier.“
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 5: Badezimmer
Magrot und Vlöte betreten das Badezimmer. Ihr Training setzt ein und zuerst scannen sie den Raum nach Ausgängen: Zwei Türen führen aus dem Bad heraus. Eine linkerhand und eine geradezu.
Mehrere große Becken füllen das Bad. Sie sind alle voll mit Flüssigkeiten. Fast alle dieser Flüssigkeiten sind Badewasser, schaumig und mit Duftwassern versetzt. Nur wenige Becken sind voll mit Blut.
Vlöte wäscht sich gerade das Gesicht, da knarzt der Boden. Offenbar ist es mit der Statik des Hauses nicht weit her und die vielen Tonnen Wasser bekommen dem Boden nicht gut.
Magrot springt in Sicherheit, aber unter Vlöte, die in der Mitte des Raumes stand, bricht der Boden hinweg.
Magrot hat das Gefühl, Vlöte etwas zu schulden, daher wagt er etwas und versucht, Vlöte zu ergreifen, bevor sie durch den Boden fällt.
Es gelingt. Er bekommt sie zu packen und zieht sie empor.
Beide stehen nun schnaufend in einem Türrahmen. Das Zimmer dahinter grenzt an das Hauptschlafzimmer an. Magrot öffnet die Tür. Über ihnen ist die Party noch immer in vollem Gange.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 6: Korridor
Magrot und Vlöte betreten einen Korridor mit zwei weiteren Türen, eine am gegenüberliegenden Ende, eine in der rechten Wand. Den Boden ziert ein langer roter Teppich. An den Wänden stehen Statuen auf Sockeln.
Langsam schreiten sie vorwärts, in den Korridor hinein. Beide atmen noch immer schwer.
„Danke, Magrot“, keucht Vlöte.
Magrot nickt nur, sieht Vlöte dabei aber nicht an. Sein Blick hat er auf die erste der Statuen gerichtet. Sie zeigt einen halbnackten Mann mit kugelrundem Bauch.
„Der kommt mir irgendwie bekannt vor“, wundert er sich.
„Mir auch“, bestätigt Vlöte.
Ein Rülpsen hallt durch den Korridor.
„Wo kam das her?“, fragt Vlöte.
„Pssst!“, macht Magrot, und versucht, mehr zu hören.
„Idiot“, flüstert irgendjemand am Ende des Korridors. Aber niemand ist zu sehen.
Magrot und Vlöte ziehen ihre Schwerter und schreiten voran.
Ein weiteres Rülpsen durchzieht den Korridor. Diesmal kommt er aus der anderen Richtung – von hinten!
Schnell drehen sie sich um.
Nichts.
Sie setzen ihren Weg fort.
Eine der Statuen schlägt nach Magrot aus.
Schmerz explodiert in seiner Schulter. Er schreit auf. [8/13 HP]
„Was zur…“, ruft Vlöte, als sie einen Luftzug in ihrem Rücken spürt. Schnell dreht sie sich um. Hinter ihr steht eine Statue, mitten im Korridor, stocksteif als stünde sie dort schon immer.
Vlöte stößt die Statue um. Sie schmettert auf dem Boden auf. Teile des Holzfußbodens zerspringen.
„Autsch“, kommt es aus Richtung der Statue. Dann hört man wieder einen Rülpser, lauter als zuvor.
„Ich hab dir gesagt, du sollst nicht so viel saufen“, meckert eine Stimme neben Magrot. Der tut es Vlöte gleich, packt die Statue und reißt sie vom Sockel.
Ein Arm bricht ab, als sie auf dem Boden auftrifft.
„Auuuuu“, heult es laut auf.
„Weg hier“, ruft Magrot und nimmt die Beine in die Hand.
Die Tür in der rechten Wand ist die nächste. Magrot reißt sie auf und stürmt hinein. Vlöte folgt.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 7: Speisesaal
Magrot und Flöte platzen in einen Speisesaal. Ein enorm langer Tisch reicht von einer Zimmerecke zur anderen. In den schmalen Wänden hinter den Kopfenden des Tisches sind Türen. Die Rechte führt vermutlich in den zweiten Raum, der vom Badezimmer ausging. Die Wand gegenüber Magrot und Vlöte wird von einer gewaltigen Fensterfront dominiert. Inzwischen ist es Nacht. Draußen regnet es. Aber das ist jetzt nicht so wichtig.
Wichtig sind die beiden blutüberströmten Skelette, die an der Tafel sitzen. Links und rechts von ihnen liegen Berge an abgetrennten Gliedmaßen, schön drappiert auf Tellern und in Schalen. Alle Körperteile zucken wild.
Eines der Skelette öffnet seinen Kiefer. Eine Blutfontäne schießt heraus.
„Ein Problem nach dem anderen“, bestimmt Magrot. Erst schließt er die Tür, durch die sie eingetreten sind und schiebt einen Stuhl davor. So können die Statuen nicht hindurch. Jetzt schenkt er den Skeletten seine Aufmerksamkeit.
Aber sie beachten ihn nicht.
Sie kauen auf zuckenden Händen herum.
Vorsichtig aber schnell machen sich Magrot und Vlöte von Dannen. Die Tür am linken, oberen Kopfende ist das Ziel.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 8: Dienstboten-Korridor
„Das ist vermutlich ein Gang für die Dienstboten, damit sie den Speisesaal mit Essen beliefern können“, plappert Magrot, um sich von den Schmerzen in seiner Schulter abzulenken.
„Der da sieht aber nicht so aus wie ein Diener“, sagt Vlöte.
Tatsächlich liegt an einer Wand ein Mann in einer Kultisten-Robe. Er schläft. In einer Hand hält er eine Flöte in Form eines Phallus.
„Ich nehm die mal“, sagt Vlöte. „Wer weiß, wozu man die brauchen kann.“
Magrot, dem schon wieder Vlötes Name entfallen ist, entgeht die Chance auf einen blöden Spruch.
Vlöte greift nach der Flöte. „Puh, der Typ stinkt nach Schnaps.“
In dem Moment erbricht sich der Schlafende.
Aber Vlöte ist schnell und geschickt genug. Sie erbeutet das Musikinstrument, bevor die Brocken bei ihr einschlagen.
Der Korridor hat nur einen Ausgang. „Ich wette, wir landen gleich in einer Küche“, prophezeit Magrot.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 9: Schlafsaal
Magrot und Vlöte betreten einen kargen Schlafsaal. Er erinnert die beiden an ihr Quartier in Galgenbeck: Mehrere unbequeme Stockbetten, karge Wände…
Nur dass in diesem Schlafsaal jemand masturbiert.
„Ich hab gesagt, ich will nicht gestört werden!“
„Dann such dir’n besseren Ort“, schnauzt Magrot zurück, während Vlöte anfängt zu lachen.
Es gibt hier nur einen weiteren Ausgang, auf diesen steuern die Deserteure zu.
Tag 8: Gewöhnlicher Raum 10: Latrine
„Nee.“, sagt Magrot und dreht sich wieder um.
Tag 8: Zurück im Schlafsaal
„Wie kommen wir denn ins obere Stockwerk?“, fragt Magrot. Aber statt Antworten bekommt er nur wüste Beschimpfungen.
Tag 8: Zurück im Dienstboten-Korridor
Wieder im Korridor setzt Vlöte zu einem süffisanten Spruch an, wird dabei unaufmerksam und achtet nicht auf ihre Füße. Sie rutscht in der Lache aus Erbrochenem aus.
Magrot hilft ihr auf und betrachtet dabei ihre eingesaute Hose. „Jetzt bekommst du deinen Spitznamen zurück“, sagt er grinsend.
Vlöte versteht den Kommentar nicht und beschließt, Magrot zu ignorieren.
Tag 8: Zurück im Speisesaal
Die Skelette sehen so aus, als seien sie beim Essen eingeschlafen. Wie das geht, wo doch alles um sie herum zuckt, zappelt und wackelt, ist der am wenigsten seltsame Umstand an dieser Situation, beschließt Magrot.
„Vielleicht,“ mutmaßt Vlöte, „sind es nicht nur die Leichen in Graven-Tosk, die nicht mehr in ihren Gräbern bleiben.“
Magrot zuckt nur mit seinen Schultern. Das ist ein Problem für später.
Am gegenüberliegenden Ende des Saals wartet noch eine unerforschte Tür. Vielleicht führt sie zurück zum eingestürzten Badezimmer, sodass Magrot und Vlöte nicht zurück in den Gang mit den Statuen müssen.
Tag 8: Spezieller Raum 3: Treppenhaus
„Endlich!“, ruft Magrot. Auch Vlöte hat ihre gute Stimmung wiedergefunden.
Nicht nur hatte Magrot recht damit, dass hier eine Tür zum Badezimmer zurückführt. Es gibt auch einen Weg nach Oben!
Breite Treppenstufen führen ins Obergeschoss. Die Party-Geräusche werden lauter.
Abgesehen von einigen zerbrochenen Schnapsflaschen ist das Treppenhaus leer.
Tag 8: Spezieller Raum 4: Orgiensaal
Das gesamte obere Stockwerk besteht aus einem einzigen großen Saal. Zwei Säulenreihen tragen die Decke.
Schwerer Nebel hängt in der Luft. Die Quellen dafür sind schnell gefunden: Sitzecken mit Wasserpfeifen auf der einen Seite, auf der anderen Pfeifen, die mit Weihrauchschwenkern die Luft verpesten.
Mehrere Büffets stehen hier breit. Einige davon sind noch in bester Ordnung, andere sind halb leergefressen, voll mit Erbrochenen oder Erbrechenden, auf manchen wird auch wild gevögelt.
Hunderte von Menschen sind in diesem Raum. Sie gehen allen Arten der Völlerei nach.
„Was mich am meisten erstaunt“, sagt Vlöte, „ist, dass das Essen ausschließlich vegetarisch ist. Ich bin irgendwie davon ausgegangen, hier seien Menschenfresser am Werk.“
„Der da drüben hat jedenfalls ein Körperteil im Mund“, zeigt Magrot in eine besonders belebte Ecke.
„Magrot?“, fragt Vlöte etwas verlegen.
„Hm?“
„Ich hab Hunger.“
Ein Magenknurren antwortet ihr.
„Setzt euch ruhig zu mir“, zwitschert eine Frau, der aufgefallen ist, wie deplaziert Magrot und Vlöte mit ihren Kuchen-Tellern im Raum herumstehen.
Die Frau zeigt auf einige gemütliche Sitzkissen direkt neben sich. Als sie mit offenen Lippen lächelt, entblößt sie die fauligsten Zähne, die Magrot je gesehen hat.
Sie flätzt dort mit einem dicken Wälzer auf dem Schoß und einem großen Trinkgefäß in der Hand, ihre schwarzen Zähne klaffen wie der Nachthimmel inmitten ihres Gesichts, und Magrot wird auf einmal ganz schwer ums Herz. Er setzt sich zu ihr. Vlöte tut es ihm gleich.
„Was schaust du denn so traurig?“, fragt die Frau.
„Schag ma'“, mischt sich Vlöte mit vollem Mund ein, und Magrot hasst sie dafür. „Kennscht du disch hier auf?“
„Ob ich mich hier auskenne? Aber natürlich. Das ist mein Anwesen. Wieso…“, sagt die Frau mit gerunzelter Stirn. Sie legt den Kopf schief. Dann geht ihr ein Licht auf. „Ah“, macht sie. „Ihr seid die beiden, die Julga und Heme umgebracht haben. Und ihr habt Yord und Rikna überfallen und ihre Kleidung geklaut. Ich fragte mich schon, wann ihr auftauchen würdet. Dass ihr euch vorher reichlich an meinen Gaben bedient, das habe ich nicht erwartet.“
Magrot wird rot im Gesicht. Für einen Moment überlegt er, alles auf Kotzi zu schieben.
Dann entscheidet er, dass genau das die angemessene Reaktion ist.
„Das war alles er!“, ruft plötzlich Vlöte und zeigt auf Magrot.
„Ey!“, protestiert dieser.
„Na, na!“, tadelt die Kultistin. „Nicht streiten. Vielleicht erzählt ihr mir erst mal, was ihr hier wollt.“
„Wir wurden angeheuert, den Kelch des endlosen Schmatzens zu stehlen“, gesteht Magrot eilig, bevor Kotzi weitere Lügen erzählen kann.
Die Frau lacht.
„Oh, aber ich fürchte, ihr seid falsch informiert. Das hier,“ – sie zeigt dabei auf den Kelch in ihrer Hand – „das ist nicht der Kelch des endlosen Schmatzens. Das ist der Kelch des erlaubten Verschlingens! Er saugt alles halbwegs Genießbare im Umkreis von drei Metern ein. Zum Glück habe ich ihn gezähmt.“
„Oh“, sagt Magrot.
„Den brauchen wir nicht“, sagt Vlöte.
„Tja, dann habt ihr ganz umsonst gemordet“, sagt die Frau. „Und was habt ihr jetzt vor?“
„Ich möchte gerne bei-„, beginnt Magrot
„Beitreten!“, beendet Vlöte.
„Ihr wollt der Religion der Maßlosigkeit beitreten? Ihr wollt bis ans Ende aller Tage unserem Gott huldigen, indem ihr auf alles verzichtet, was euch keine Freude bereitet?“
Die beiden Deserteure stimmen eifrig zu.
„Da gibt es nur ein Problem. Kein unlösbares Problem, aber ein großes. Seht es als eine Art Test an. Zur Zeit können wir nämlich keine neuen Mitg-“
„Ich bin bereit, alles für euch zu tun“, ruft Magrot dazwischen. „Soll ich Kotzi umbringen? Ich machs!“
„Wer ist Kotzi?“, fragt Vlöte.
„Nein, nein.“, beschwichtigt die Frau.
„Na, du bist Kotzi“, sagt Magrot.
„Ich bin Kotzi?“, fragt die Frau.
„Was? Nein!“, sagt Magrot.
„Wieso willst du die Frau umbringen?“, fragt Vlöte.
„Mein Name ist Rabaccha und nicht Kotzi!“, protestiert die Frau.
„Hallo. Ich heiße Magrot“, sagt Magrot etwas dümmlich.
„Und ich heiße Vlöte“, sagt Vlöte.
„Stimmt“, erinnert sich Magrot.
„Freut mich, euch kennenzulernen“, sagt Rabaccha. „Können wir jetzt zurück zu meinem Anliegen kommen?“
„Ich werde alles tun, was du verlangst, Rabaccha“, bestätigt Magrot.
„Äh, schön. Ich nehm dich beim Wort. Also. Die Sache ist die: Unser Gott wandelt zur Zeit unter uns Sterblichen. Das ist außergewöhnlich, aber nicht ohne Beispiel. Was ohne Beispiel ist, und außerdem sehr besorgniserregend, ist die Tatsache, dass er… nunja… irgendwie in einem Kerker gelandet ist, und dort offenbar nicht mehr herauskommt.
Und da kommt ihr ins Spiel – ihr seid ja zweifellos kaltblütige Profis.
Ihr müsst unseren Herrn BACCHAST aus dem Kerker von Galgenbeck befreien. Umgehend!“
„Oh nein“, sagt Magrot.
„Oh nein“, sagt Vlöte.
„Der Kuchen war übrigens vergiftet“, sagt Rabaccha.
Das ist (vorerst) das Ende dieser kleinen Reihe.
Magrot wurde gespielt von: Die Charakterklasse Fanged Deserter aus dem Mörk Borg Grundregelwerk.
Für Namen, Gegenstände und einige der Räume habe ich die Tabellen aus Den of Disarray benutzt.
Der Kelch des erlaubten Verschlingens ist das Ergebnis einer Zufallstabelle, die @alexshendi@rollenspiel.social auf Mastodon für mich angefertigt hat. Hier gehts zur Tabelle.
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Sölitary Defilement #1: Der Gott im Kerker
Sölitary Defilement #2: Schlaflos in Galgenbeck
Sölitary Defilement #3: Flucht aus Galgenbeck