Sölitary Defilement #3: Flucht aus Galgenbeck

Du hast alle deine Freund*innen im finsteren Wald verloren und jetzt spielt niemand mit dir Mörk Borg? Nicht so schlimm. Dafür gibt es Sölitary Defilement, die Solo-Rollenspiel-Variante.
Ich habe das getestet und meine Abenteuer mitgeschrieben. Dies ist der dritte Tag meines Journals.
Lies auch:
Sölitary Defilement #1: Der Gott im Kerker
Sölitary Defilement #2: Schlaflos in Galgenbeck
Sölitary Defilement #3: Flucht aus Galgenbeck
Sölitary Defilement #4: Schlamassel in Schleswig

Solitary Defilement #3: Flucht aus Schleswig Beitragsbild
Bild: Mit freundlicher Genehmigung von Goatman’s Goblet.

Sölitary Defilement: Flucht aus Galgenbeck

Tag 2: Gewöhnlicher “Raum” 1: Fleischereistraße

Magrot, der Fahnenflüchtige mit Fangzähnen, und sein Trupp aus 15 Deserteur*innen, versuchen im Morgengrauen aus Galgenbeck zu entkommen, ohne von der Inquisition oder von Hauptmann Eldar entdeckt zu werden. Es ist eiskalt. Frost bildet sich.

Sie beschreiten die große Fleischereistraße, eine der Hauptstraßen Galgenbecks. Die Häuser stehen dicht an dicht; es gibt keine Nebengassen. Ein Diener huscht vorbei, auf dem Weg zu einer Gerberei. Er beachtet die Truppe nicht.

In der Mitte der Straße bewegt sich etwas: Ein in Blut getränktes Skelett humpelt direkt auf die Truppe zu.

“Angriff!”

Die ehemaligen Gardist*innen und Gefängniswärter*innen zerlegen das Skelett in seine Einzelteile, ohne selbst Verletzungen zu erleiden.

“Sollten wir nicht drüber reden, dass gerade ein Untoter auf uns zukam?” fragt Magrot, der wandelnde Skelette nur aus Geschichten kennt.

Niemand reagiert auf ihn. Also zuckt Magrot mit den Schultern und die Flucht geht weiter.

Tag 2: Spezieller “Raum” 1: Kirche der Fleischwerdung

Die Hauptstraße mündet in den Vorplatz der Kirche der Fleischwerdung. Gerade als die Truppe diesen Platz erreicht, tritt jemand aus dem großen Doppelportal der Kirche. Es ist…

…ein weiteres blutüberströmtes Skelett!

In die Handflächen und Füße wurden Nägel geschlagen. Offenbar war es das Opfer einer Kreuzigung.

“Irgendwas geht in der Kirche vor sich. Sollten wir uns das nicht mal ansehen?”, fragt Magrot in die Runde.

“Erst mal sollten wir das Ding da platt machen”, sagt Margar und zieht ihr Schwert.

“Oder wir warten ab, ob es überhaupt gefährlich ist”, schlagen Haerü vor.

“Ich sage, wir verschwenden hier nur unsere Zeit. Das ist nicht unser Problem. Wir sollten jetzt einfach weitergehen, und zwar schleunigst”, brummelt eine Gardistin mit öligem Haar, deren Namen sich Magrot einfach nicht merken kann. Insgeheim nennt er sie “Kotzi”, denn gestern hat ein Gefangener sie von oben bis unten eingespeit.

Haerü sind die Dienstältesten und tragen die meiste Autorität, daher wird gemacht, was sie vorschlagen: Abwarten.
Tatsächlich ist das Skelett nicht aggressiv. Es trägt einen verzierten Dolch bei sich, der mit einem Wappen versehen ist. Darunter ist eingraviert: “Nelin IV.”

Niemandem aus der Truppe sagt das etwas. Einen Adel gibt es jedenfalls in Galgenbeck schon lange nicht mehr.

“Und jetzt?”, fragt Magrot. “Reingehen und nachsehen oder abhauen?”

“Wir gehen weiter”, beschließen Haerü.

Nach einigen Schritten bemerkt die Truppe, dass das Skelett ihnen folgt.

“Nun sind wir wohl siebzehn”, zählt Magrot.

Tag 2: Spezieller “Raum” 2: Zweikopfplatz

Von der Kirche der Fleischwerdung aus führt der Weg hinaus aus der Stadt unweigerlich am Zweikopfplatz vorbei. Das ist der gefährlichste Punkt der Reise, denn der Platz kann vom Inquisitionsturm der Kathedrale aus genauestens eingesehen werden.

Als die Truppe sich dem Platz nähert, steht eine komplette Häuserreihe in Flammen. Der Rauch verdeckt die Sicht auf den Inquisitionsturm.

Vor den brennenden Häusern steht eine Kette aus blutüberströmten Skeletten und schaut in die Flammen.

Vorsichtig, aber schnell, huscht die Truppe an ihnen vorbei.

“Irgendwas geht hier doch vor sich”, murmelt Magrot.

Tag 2: Gewöhnlicher “Raum” 2: Nabatgasse

In der von staubigen Terrassen gesäumten Nabatgasse angekommen, stellt die Truppe fest, dass sie schon wieder angewachsen ist. Zwei weitere Skelette haben sich ihnen angeschlossen. Die beiden sind nicht nur blutüberströmt, sondern auch angesengt.

“Nabatgasse”, grummelt Kotzi abfällig. “Hier wurde ich schon zwei Mal ausgeraubt. Na, immerhin wird mir das heute nicht passieren.”

Alarmiert schauen sich alle um, ob sie hier vielleicht in einen Hinterhalt geraten sind.

Niemand entdeckt etwas Auffälliges. Also zieht die Truppe weiter.

Dass sie verfolgt werden, bekommen höchstens die Skelette mit. Aber die schweigen.

Tag 2: Spezieller “Raum” 3: Traum-End

Sackgasse.

Von einer Häuserwand baumelt die aufgeknüpfte Leiche eines Bäckers. Teile des Körpers sind geschmolzen.

Die Desertierenden wollen umkehren, doch hören sie Schritte vom Eingang der Gasse aus. Das “Klack, klack” lässt auf eisenbeschlagene Stiefel schließen. Mehrere Personen, zackiger Gang. Soldaten?

“Hier ist ein Gulli-Deckel”, sagt Kotzi mit gepresster Stimme. “Wir könnten uns verdünnisieren.”

Margar antwortet abfällig: “Pah. Wir sind fast zwanzig Bewaffnete. Ich sage, wir stellen uns.”

“Scheißidee”, denkt Magrot und überlegt, sich im Notfall auch ohne die Truppe in die Kanalisation abzusetzen. Kotzi deutet seinen Gesichtsausdruck richtig, stellt sich neben ihn und flüstert: “Lass mal von den Deserteuren desertieren, wenn die wirklich zu dumm sind, um abzhauen.”

“Verteidigungsformation einnehmen”, kommandieren Haerü, als ob das irgendetwas bedeuten würde.

Magrot seufzt und bückt sich zum Gulli.

“Halt, ihr Saubande!”, schmettert die Stimme von Hauptmann Eldar in die Gasse.

“Die fliehen über die Kanalisation”, ruft ein Soldat im Gefolge des Hauptmanns, aber da rutscht Magrot schon die Sprossen der Leiter herab ins stinkende Dunkel. Kotzi folgt, die anderen stellen sich den Soldaten.

Tag 2: Gewöhnlicher Raum 3: Kanalisation I

Es stinkt hier unten schlimmer als zwischen Magrots Zähnen. Die beiden Desertierenden eilen durch die Dunkelheit.

Es dauert nicht lange, dann ist schon ein Ende in Sicht. Denn der Kanal, in dem sich Magrot und Kotzi jetzt befinden, mündet in einigen Metern entfernung in den Fluss. Von dort sollte es ein Leichtes sein, zum Flusshafen zu gelangen. Durch die Öffnung fällt sogar etwas Licht in die Kanlisation.

Es gibt nur ein Problem: Ein Berg aus Leichen blockiert den Weg zwischen den Desertierenden und der Öffnung.

“Och nö”, jammert Kotzi. “Was jetzt? Drüberklettern? Oder gehen wir zurück zur letzten Kreuzung und suchen einen Weg drum herum?”

“Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache. Wir suchen einen anderen Weg”, entscheidet Magrot.

Tag 2: Gewöhnlicher Raum 4: Kanalisation II

Nach zwanzig Minuten, in denen sich weder Magrot noch Kotzi an den Gestank der Kanalisation gewöhnen konnten, sind sie zuversichtlich, endlich einen zweiten Kanal entdeckt zu haben, der nach Draußen führt.

“Oh.”, sagt Magrot.

“Oh.”, sagt auch Kotzi.

“Schönen guten Morgen”, sagt der fast zwei Meter hohe Pferdekopf, der die beiden Deserteure aus großen schwarzen Augen anblickt. Wo der Rest seines Körpers geblieben ist, ist nicht zu sehen.

“Ich freue mich über euren Besuch. Wollt ihr nicht näher treten?”

“Wir würden gerne vorbei”, sagt Magrot, ohne sich vom Fleck zu bewegen.

“Achso, ich bin euch wohl im Weg?”, fragt das Pferd indigniert. “Das tut mir leid.” Der übergroße Pferdekopf wackelt und schwankt, als würde er versuchen, sich zu bewegen. “Meine Mobilität ist leider etwas eingeschränkt. Vielleicht könnt ihr euch ja an mir vorbeizwängen?”

Kotzi entfährt ein unglückliches Quietschen.

“Na los”, brummt Magrot in Kotzis Richtung. “Je schneller wir es hinter uns bringen, desto schneller sind wir hier raus.”

“Wisst ihr, ich bekomme wirklich selten Besuch”, sagt das Pferd, als Kotzi sich ihm vorsichtig nähert. “Wenn ihr schon dabei seid, könntet ihr mich vielleicht kurz hinter dem Ohr kratzen? Es juckt mich da schon lange.”

“Na gut”, sagt Kotzi, die dem Pferd jetzt sehr nahe ist. “Wenn du mich dann nicht frisst.”

Das Pferd lacht vergnügt, als hätte Kotzi einen guten Witz gemacht.

Kotzi streckt die Hand aus. Das Ohr des Pferdes zuckt erwartungsvoll.

Das Pferd hält Wort und beißt nicht zu. Nachdem es ausgiebig gekrault wurde, verabschieden sich Magrot und Kotzi.

Lachendes Pferd Bild

Vor ihnen mündet der Kanal direkt in den großen Galgenbach, der eigentlich ein Fluss ist, und kein Bach, zumindest vermutet Magrot das, keine Ahnung, er ist nur ein ehemaliger Gefängniswärter und kein Flussdoktor.

Von der Kanalmündung aus hinaufzuklettern, ohne in den Fluss zu fallen, ist relativ leicht, auch wenn die Wand glitschig und eiskalt ist.

Magrot schafft den Aufstieg ohne Probleme, aber Kotzi rutscht ab.

Magrot überlegt noch, ob Kotzi ihm die Mühe wert ist, da packt die Fallende ihn am Fußgelenk. Ein Ruck geht durch Magrot, der sich mit aller Kraft festzuhalten versucht.

In einem Kraftakt, auf den er stolz ist, zieht er sich und Kotzi nach oben.

Tag 2: Spezieller “Raum” 4: Der Hafen

Der Hafen erwacht gerade zu Leben.

Einige Matros*innen steuern auf ihre Schiffe zu. Ein Karren, randvoll gefüllt mit Leichen, parkt neben einem offenen Gullideckel, während zwei kräftige Arbeiter*innen eine Leiche nach der anderen in dem dunklen Loch verschwinden lassen.

Vor Magrots Füßen liegt ein verwesender Pferdekadaver ohne Kopf. Das Pferd ist normalgroß.

“Wir heuern am besten auf einem Schiff an, das gleich ablegt”, schlägt Kotzi vor.

“Gute Idee”, findet Magrot.

“Moment mal!”, sagt Kotzi. “Siehst du den Typ da? Das ist einer von denen, die mich in der Nabatgasse überfallen haben!”

“Ja und?”, fragt Magrot.

“Jetzt ist er allein. Und wir sind zu zweit. Komm, den schnappen wir uns.”

“Nee. Das hält uns doch jetzt nur auf.”

Aber Kotzi, die wohl nach der Begegnung mit dem Pferdekopf ihren Mut gefunden hat, marschiert los. Magrot bleibt zurück und schaut sich das Ganze aus der Ferne an.

“Du da!”, ruft Kotzi. “Gib mir mein Geld zurück, oder es setzt eine Tracht Prügel.”

Zu Magrots Überraschung knickt der Mann sofort ein. Er fängt an zu jammern, sagt dass er das Geld nicht mehr habe, aber er sei auf dem Weg zu einer warmen Mahlzeit und würde Kotzi einladen. Es gebe reichlich.

Kotzi ist mit der Situation mehr als unzufrieden. Sie schlägt dem Mann ins Gesicht. Als er fällt, tritt sie einige Male nach. Dann durchsucht sie ihn. Er hat wirklich nichts bei sich. Wütend kehrt sie zu Magrot zurück.

“Können wir dann?”, fragt dieser.

Epilog: Deserteure an Bord

Ende

Magrot und Kotzi klappern mehrere Schiffe ab, bis sie eines finden, das bereit ist, neue Matrosen anzuheuern. Als sie ablegen, erhaschen sie noch einen Blick auf die Stadt. Das Feuer am Zweikopfplatz hat auf das gesamte Viertel übergegriffen. Am Hafen wird jemand zusammengeschlagen, als plötzlich dreißig blutüberströmte Skelette auftauchen, und die Menschen im Hafen das Weite suchen.
“Ihr sollt arbeiten und nicht Maulaffen feilhalten, ihr faules Pack”, ruft Bootsmann Taljuk. “Wir wollen in Schleswig ankommen, bevor die Welt untergeht.”

Magrot wurde gespielt von: Die Charakterklasse Fanged Deserter aus dem Mörk Borg Grundregelwerk.
Zur Generierung der Stadt habe ich Streets of Decay benutzt.
Für NPCs wie Nelin IV. war außerdem Denizens of the Dying World hilfreich.
Die Reise endet in:
Sölitary Defilement #4: Schlamassel in Schleswig

Die bisherigen Teile:
Sölitary Defilement #1: Der Gott im Kerker
Sölitary Defilement #2: Schlaflos in Galgenbeck

2 Kommentare zu Sölitary Defilement #3: Flucht aus Galgenbeck

  1. Sehe ich das richtig, dass nur noch ein Teil kommt? Das ist ja regelrecht schade, ich fiebere richtig mit Magrot mit.
    Dein Schreibstil ist wirklich großes Kino.

    1. Freut mich sehr, wenn dich Magrots wilde Reise gut unterhält!
      Es stimmt, Teil 4 wird erst mal der letzte sein. Aber es gibt natürlich immer die Option auf eine Staffel 2.
      Und als “Trostpflaster”: An #4 wirst du etwas länger zu kauen haben, der ist nämlich deutlich umfangreicher geraten als die bisherigen Teile.
      Ich empfehle also, fürs Staffelfinale festes Schuhwerk anzuziehen und Proviant einzupacken!

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