Die Feuer der Finsterwacht von Bernhard Hennen und Torsten Weitze ist ein DSA-Roman, der von einer ganzen Reihe anderer Finsterwacht-Produkte begleitet wird: Abenteuer, Minis, und vor allem einem Musik-Album der Band Saltatio Mortis. Denn deren Rückkehr nach Aventurien zu zelebrieren, ist der Hauptgrund für die gesamte Produktreihe.
Saltatio Mortis wurde schon vor vielen Jahren in der Welt von Das Schwarze Auge verewigt. In Stadt der 1000 Augen reiste ich eine Weile mit ihnen durch Galottas Heptarchie.
Das ist mein einziger Berührungspunkt mit der Band. Mehr weiß ich nicht über sie. In dieser Hinsicht ist das hier also keine Experten-Rezension. Auch die anderen Produkte der Reihe kenne ich nicht. Ich habe mir nur das Hörbuch gegönnt.
Die Story
Das Wort Finsterwacht beschreibt eine Reihe von Wachtürmen im Finsterkamm, einem Gebirge am Rande des Mittelreichs. Jenseits dieses Gebirges beginnen die Landstriche, die von den Orks besetzt wurden. Zweck der Wachtürme ist, vor den Orks zu warnen, falls diese einen neuen Orkensturm planen.
Vermutest du nun, dies sei eine viel zu späte Game of Thrones Anleihe, die extra für Saltatio Mortis aus dem Boden gestampft wurde, damit dort martialische Mittelalter-Epik musikalisch bedient werden kann? Das war jedenfalls mein erster Verdacht. Aber ich irrte mich: Die Finsterwacht gibt es schon deutlich länger als den GoT-Hype.
In Die Feuer der Finsterwacht verschlägt es ein Duo aus dem Horasreich in diese Gegend. Sie ziehen von Turm zu Turm, unermüdlich auf der Suche nach einem McGuffin, das irgendwo versteckt sein soll. Begleitet werden sie von Saltatio Mortis, oder wie sie im Buch heißen: Totentanz.
In Stadt der 1000 Augen hieß die Band auch in Aventurien Saltatio Mortis. Ich bin nicht sicher, ob sie ein Rebranding durchgeführt haben, oder ob das eine andere Truppe sein soll. Ich vermute einen geschickten Marketing-Kniff; die Jungs sind immerhin Profis.
Das waren viele Worte von mir, ohne wirklich viel über die Story zu verraten. Aber mehr fällt mir auch wirklich nicht ein. Es handelt sich um einen klassischen Road-Trip, bei dem die einzelnen Stationen kleine Erzähleinheiten bilden, die nur wenig Einfluss auf den Plot haben. Die Suche nach dem McGuffin bietet hauptsächlich den Rahmen für viele Abenteuer am Rande, ohne je den Rahmen zu verlassen. Und das ist absolut in Ordnung. Ich war gut unterhalten.
Auch sonst gibts von mir nichts zu Meckern über die Geschichte, die hier erzählt wird. Sie ist weniger tief im Metaplot verankert als Das Greifenopfer, das ich jüngst rezensierte. Aber dafür ist sie auch nicht besonders voraussetzungsreich. Ideal also sowohl für Saltatio Mortis Fans, die sich mit Aventurien nicht auskennen, wie auch für Aventurien-Fans, die mal die Finsterwacht kennenlernen wollen.
Der Sprecher
Gesprochen wird Die Feuer der Finsterwacht von Günter Merlau. Er macht alles in allem einen guten Job. Er liest stimmungsvoll, und bemüht sich, den unterschiedlichen Charakteren unterschiedliche Stimmen zu verleihen. Nur selten war mir unklar, wer gerade spricht.
Leider merkte ich oft, wie er über Sätze stolperte und sich fast verhaspelte, wenn diese länger waren, als er vermutet hatte. Auch hört man manchmal geradezu sein Stirnrunzeln, wenn er über ihm unbekannte aventurische Namen oder Begriffe liest.
Das Sprechtempo variiert manchmal auffallend stark. Ich höre meine Hörbücher generell ein wenig schneller. An manchen Stellen wirkte das Hörbuch nun so, als hätte ich die doppelte Geschwindigkeit eingestellt.
Klar, das ist eher der Post-Produktion geschuldet als dem Sprecher. Irritiert hat es mich trotzdem.
Ich höre sehr viele Hörbücher, und fühle mich daher qualifiziert, Merlaus Leistung in diesem Hörbuch als knapp über dem Durchschnitt einschätzen zu können. Das ist deutlich mehr als ich von einem Rollenspiel-Hörbuch erwartet habe.
Der Schreibstil
Mich verfolgt ein Scheusal missglückter Schreibkunst in fast allen deutschsprachigen Romanen, die ich in die Finger bekomme: Das Verb scheinen, im Sinne von den Anschein haben. Also Formulierungen wie: „Es schien, als ob Florian einen neuen Blogartikel veröffentlicht habe“, anstatt zu schreiben: „Florian veröffentlichte einen neuen Blogartikel.“
In meiner Rezension zu Das Greifenopfer beschwerte ich mich darüber schon – und nicht zum letzten Mal in diesem Jahr. Aber nicht heute.
Ich freue mich wie ein Musikliebhaber über Saltatio Mortis Freikarten, festzustellen, dass Hennen und Weitze einen kompetenten Stil pflegen, der ohne Anschein auskommt, oder dass das Buch zumindest ein sehr gutes Lektorat hinter sich hat. Klar kommt das Verb vor, aber nie unbegründet.
Auch sonst empfand ich den Schreibstil als kompetent. Für meinen Geschmack ist er teilweise ein wenig zu altbacken. Aber falls dir sowas Fantasy-Atmosphäre verspricht, kann es sein, dass dich der Stil richtig abholt. Auf jeden Fall hat mich das nie stehengelassen.
Die Charaktere
Die ProtagonistInnen des Romans sind ein Zwerg und eine Horasierin. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wie sie heißen, aber ich kann mir einfach keine Namen merken, ja, auch deinen nicht, das tut mir leid, ehrlich, ist aber so, und ich kann es auch nicht nachschlagen, weil ich das nur als Hörbuch habe, also die Namen der ProtagonistInnen, nicht deinen, dich habe ich nicht als Hörbuch. Der Zwerg und die Horasierin sind jedenfalls die Point-of-View-Figuren dieser Geschichte, und ich habe zwischen ihnen einen klaren Favoriten.
Der Zwerg ist ungleich viel interessanter und unterhaltsamer geschrieben als die Horasierin. Seine Anekdoten, sein Gehabe, seine Witzchen, all das fand ich wirklich kurzweilig. Zwerge sind sonst eher archetypische Nebencharaktere in Fantasy-Literatur. Hier aber nimmt er völlig zurecht eine zentrale Rolle ein. Er hat auch die einzige spürbare Charakterentwicklung durchgemacht. Von ihm und seinem Klappschild würde ich gerne mehr lesen.
Die dritte Protagonistin der Finsterwacht ist natürlich die Spielmannstruppe Totentanz. Aber nur als Ganzes, nicht auf Ebene ihrer Mitglieder. Keiner der Herren wird mehr als nur flüchtig charakterisiert. Charakterentwicklungen gibt es keine. Oder vielleicht eine halbe.
„Lass sie doch so, wie sie sind“, rät die Horasierin an einer Stelle dem Zwerg, als dieser der Truppe den Kampf beibringen will. Es wirkt auf mich, als hätten sich die Autoren diesen Rat selbst zu Herzen genommen. So als ob sie sich davor gescheut hätten, diese Figuren anzufassen, weil sie sie nicht mit Gebrauchsspuren zurückgeben wollten.
Das Resultat ist leider: Ich habe auch nach 12,5 Stunden immer noch keine Ahnung, wieviele Mitglieder die Band überhaupt hat, geschweige denn, wer wer ist.
Der Truppe werden außerdem fast nur positive Eigenschaften zugeschrieben. Und diese werden ständig wiederholt: Wie eingespielt sie sind; wie sehr sie zusammenhalten; wie gerne sie Witzchen übereinander machen, ohne dass diese je gemein werden. Leider wird das alles nur erzählt, nie aber wirklich gezeigt.
Als dreidimensionale Romanfiguren macht die Band leider keine gute Figur. Es gibt Stiefel, die mehr Plotrelevanz haben als die einzelnen Totentanz-Mitglieder. Das ist kein Witz und keine Übertreibung. Mein persönliches Highlight in diesem Roman sind ein Paar Stiefel, die meisterhaft immer wieder in die Handlung aufgenommen wurden.
Ähnlich wie der Spielmannstruppe ergeht es auch den Orks: Diese bleiben immer im Schatten, selbst wenn sie auftreten. Über sie wird nur erzählt, sie werden nie erlebbar gemacht, und sie erhalten keine eigene Stimme.
Fazit
- Die Story ist gut genug,
- der Sprecher leicht überdurchschnittlich,
- der Schreibstil ist kompetent,
- die interessantesten Charaktere sind ein Zwerg und ein Paar Stiefel,
- Saltatio Mortis ergeht es wie vielen Elementen des Romans: Sie werden nicht erlebbar gemacht. Etwas mehr „Show, don’t tell“ hätte dem Roman gut getan,
- falls dir ein behutsamer Umgang mit der Ork-Thematik wichtig ist, ist das nicht das Buch für dich.
Ich habe mal wieder mehr gemeckert als gelobt. Das repräsentiert aber gar nicht wirklich meinen Eindruck des Buches. Lass mich daher nochmal betonen: Ich fand Die Feuer der Finsterwacht gut. Ich habe das gerne gehört und hätte gerne mehr davon!
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Saltatio Mortis (lateinisch für Totentanz)
Ja, das ist mir bewusst. Aber das sind ja trotzdem zwei verschiedene Namen. Und ich wundere mich, warum sie im Abenteuer Saltatio Mortis heißen, im Roman aber Totentanz.
Danke für die Rezension. Mich überrascht nur das Fazit etwas. Ein Roman in dem die meisten Charaktere farblos und die Orks nur Statisten sind klingt nicht nach viel Spaß.
Ja, ich verstehe die Irritation. Ich komme zu dem positiven Fazit, weil das *was* die Charaktere tun oft interessant genug ist. Da ist nicht so wichtig, *wer* sie sind.
Und für so einen kurzen Roman reicht ein einziger interessanter Charakter aus, um meine Aufmerksamkeit zu halten.