Da war sie wieder: Die gemütliche Sonnencon in Spandau. Und dein Lieblingsrollenspielblog war auch dabei.
Es hat sich nicht sonderlich viel geändert, deshalb gilt größtenteils dasselbe wie letztes Jahr:
- Die Con dreht sich fast ausschließlich ums Spielen – und nicht um andere Events oder Verkaufsstände (auch wenn es welche gibt),
- gespielt wird in drei festen Blöcken,
- gespielt wird mit genug Koffein dank Kaffeeflatrate,
- gespielt wird in einer Grundschule mit zu kleinen Stühlen,
- aber dafür spielt jede Runde in ihrem eigenen Klassenzimmer. (Anders als bei der Feencon wird man also weder taub noch heiser.)
Was sich auch nicht geändert hat, ist die faire Preisgestaltung. Vor allem wenn man eine Runde anbietet. Dann bekommt man unter anderem einen 5 € Verzehrgutschein. Das entspricht knapp zwei Mahlzeiten vom Grill.
Als Spielleitung fühle ich mich auf der Sonnencon gewertschätzt, und das ist schön.
Viele Anmeldungen, viele Absagen
Andere SLs empfanden das vermutlich genau so, denn alle drei Blöcke waren zwischendurch ausgebucht, das Maximal-Kontingent an Spielrunden erreicht.
„Zwischendurch ausgebucht“ heißt: Als die Sonnencon los ging, sind dann aufgrund von Absagen doch wieder Slots frei geworden.
Generell sind Absagen so ein Ding bei der Sonnencon. Es gibt wirklich viele kurzfristige Ausfälle. Das ist mir letztes Jahr schon aufgefallen, und es war 2024 wieder so. Ich bin mir nicht sicher, woran es liegt. Aber bei den anderen Cons, auf denen ich herumstrolche, scheint mir das nicht so krass zu sein.
- Täuscht das, und ich bekomme das auf der Sonnencon nur mehr mit?
- Liegt es daran, dass man sich schon ein halbes Jahr vor der Sonnencon anmelden kann?
- Liegt es an Spandau?
- Sind Berliner*innen einfach notorisch unzuverlässig?
- Ist die Sonnencon verflucht?
Ich tippe ja auf Spandau.
Wie auch immer es ist: Ob eine Spielrunde stattfindet, und wieviele Menschen mitspielen, bleibt jedes Mal unangenehm spannend.
Ein Beispiel: In meiner Samstag-Nachmittags-Runde saßen wir zu dritt. Ein Spielleiter und zwei Spieler. Mein Mitspieler erzählte noch, er würde Sonntag eine Runde leiten und freue sich schon drauf.
Am Sonntag saß ich dann in einer Runde, als es plötzlich an der Tür klopfte. Da standen zwei Spieler*innen und baten um Asyl, da ihr Spielleiter nicht aufgetaucht sei. Stellt sich heraus: Dieser Spielleiter war mein Mitspieler vom Vortag. Er war einfach nicht aufgetaucht, ohne abzusagen. Ich hoffe, ihm ist nichts passiert.
Sowas scheint allerdings kein Einzelfall zu sein auf der Sonnencon.
Trotz all der Ausfälle stellte die Sonnencon 2024 einen neuen Besucher*innen-Rekord auf: 161 Personen waren laut Nexus E.V. vor Ort.
Sonnencon 2024 – jetzt auch mit Grillkäse & Tofu
Es gibt jedes Jahr Essen vom Grill oder Kartoffelsalat (und Ähnliches) aus der Kombüse.
Die Qualität des Essens ist gleich geblieben: Es ist immer noch nicht so lecker, wie wenn ich mir selbst was machen würde. Aber das Essen ist da und es ist günstig, also beschwere ich mich nicht.
Aber immerhin: Das vegetarische Essensangebot wurde erweitert. Das hat zwar den Grillmeister zwischendurch etwas überfordert, aber ich freue mich, zu sehen, dass es hier Fortschritt gibt. Nächstes Jahr sind die vegetarischen Pattys dann vielleicht nicht nur lauwarm.
Wenn dann noch ein paar Tomaten für die Burger bereitlägen, oder die mehligen Buns ganz kurz angegrillt würden, wäre ich schon komplett zufrieden.
Meine Spielrunden
Mörk Borg: Quest for the Murder Sword
Na klar habe ich Mörk Borg geleitet. Was hast du denn erwartet?
Gleich im ersten Block am Samstag, damit ich es hinter mir habe.
Ich hatte großes Glück: Alle Spieler*innen tauchten auf; alle vier Plätze waren belegt.
Quest for the Murder Sword ist von Johan Nohr, der das geniale Artwork für Mörk Borg verbrochen hat. Es geht darin um einen üblen Kult, der in der Leiche eines Mörderriesen blutige Rituale durchführt. Die SCs müssen den Kult stoppen.
Kurzer Schwenk zur Seite: Vor ein paar Tagen erzählte ich dem guten Bartimäus vom Würfellustbarkeit-Blog, wie ungewohnt viel Spaß es mir macht, Mörk Borg zu leiten. Er sagte daraufhin: „Naja, du leitest aber auch nicht Mörk Borg, sondern Florian Borg.“
Was er damit meint: Ich schmuggle Erzählrollenspielelemente in dieses OSR-System. Und das geht so:
Ich weigere mich, den Abenteuereinstieg auf klassische Weise vorzubereiten. Ich will mir nicht ausdenken, wie die Anwerbung aussieht, ob sich die SCs schon kennen, und wenn ja, woher. Vor allem aber will ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, was sie motiviert, den Dungeon zu betreten. Das überlasse ich lieber den Spieler*innen selbst. Die wissen schließlich am besten, was ihre Charaktere interessieren könnte.
Meine Vorbereitung sieht daher so aus, dass ich mir passende Fragen ausdenke, die die Spieler*innen beantworten, bevor es losgeht. Bisher habe ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht und enthusiastisches Feedback bekommen. Probier das doch auch mal aus. Dafür teile ich gerne meine Einstiegsfragen für Quest for the Murder Sword mit dir.
Die erste Frage stelle ich an die Gruppe gemeinsam:
- Welchem bösartigen Kult habt ihr Rache geschworen? Und wofür?
Dann beantwortet jede*r reihum eine dieser Fragen:
- Jeder kannte den höllische Mörderriesen „Kharkrazh der Sterbende“ und sein berüchtigtes Mörderschwert. Welche Geschichte hast du von dem Riesen gehört?
- Was erzählt man sich über seinen Tod?
- Welche unheilige Kraft soll sein Mörderschwert haben?
- Nur wenige kennen den Namen „Iko, der Unsterbliche“. Das ist der Halb-Sohn des Riesen. Wer hat dir diesen Namen verraten und was wurde dir noch ins Ohr geflüstert?
Die letzte Frage geht wieder an die gesamte Gruppe:
- Wie habt ihr euch auf die Begegnung mit dem Kult vorbereitet?
Die Antworten auf diese Fragen machen den Dungeon auch für dich als Spielleiter spannender. Denn sie können den Flair stark ändern. Auf der Sonnencon ging es gegen einen Wald- und Tierfreunde-Kult, der für die Aufforstung der Wälder kämpfte. Die SCs waren richtig fiese finstere Gesellen, die was gegen Bäume hatten. Und so metzelten sie sich durch die Reihen des Kultes: Einfache Gärtner, initiierte Förster, bis zum Oberförster.
Ich hatte Quest for the Murder Sword schon einmal geleitet. Damals fiel die Antwort ganz anders aus: Der Kult war dort kulinarisch angehaut, hatte sich allerdings auf Eselfleisch spezialisiert. Sie hatten den Esel der SCs geklaut und zu Döner verarbeitet. So metzelten sich diese durch Lehrlinge, Köche, bis hin zum Chefkoch.
Cloud Empress: Last Voyage of the Bean Barge
Letztes Jahr spielte ich Mothership. Dieses Jahr tischte derselbe Spielleiter einen Mothership-Hack auf: Cloud Empress.
Cloud Empress nutzt dieselben Regeln, nimmt sich Mothership aber vor allem darin zum Vorbild, die Abenteuer und Module hervorragend aufzubereiten, sodass es Spielleiter*innen ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Außerdem: Evokatives Artwork wo immer man hinschielt.
Inhaltlich entfernt sich Cloud Empress von Mothership: Kein Sci-Fi, keine Raumschiffe, keine Aliens. Dafür Luftschiffe und Rieseninsekten. Die offenkundigste Inspiration für Cloud Empress ist der Anime Nausicaä aus dem Tal der Winde.
Das Abenteuer – die letzte Reise der Bean Barge – war großartig. Eine Mischung aus einem Katastrophenfilm und Mord im Orientexpress. Wenige, aber sehr einprägsame NSCs waren mein Highlight.
Wir spielten insgesamt zu dritt. Das hat mich gar nicht gestört. So hatten wir zwei Spieler genügend Spotlight, und zwei Wagenladungen voll Spaß.
Wir sind gespannt, ob das eine Tradition wird, und ob ich nächstes Jahr wieder mit diesem SL in einer Dreierrunde sitze. Traurig wäre ich darüber nicht.
Brindlewood Bay: Ein wieher-driger Tag im Streichelzoo
Es ist kein Geheimnis, dass ich Brindlewood Bay liebe. Zur Zeit leite ich eine Kampagne. Das macht Spaß, aber ich vermisse es, selbst mal eine alte Dame zu spielen. Daher ergriff ich mit beiden Topflappen die Chance, bei dieser Runde mitzumachen.
Wir waren drei Spieler – die anderen beiden kannte ich aus meiner Mörk Borg Runde vom Vortag – und wollten gerade anfangen, da kamen unsere beiden Zusatzspieler*innen hinzu. Die beiden hatten vergeblich auf ihren SL gewartet und suchten nun bei uns Unterschlupf. Das gönnten wir ihnen natürlich.
Leider waren wir dadurch aber auch fünf Spieler*innen, und das ist mir eigentlich immer zuviel. Nur leider waren fast alle Runden auf der Sonnencon für fünf oder mehr ausgelegt. Das heißt, ich hatte nicht wirklich die Wahl, in kleineren Gruppen unterzukommen.
Und es war wie immer bei fünf Spielenden, die sich kaum kannten: Die Zeit, die ich mit Leerlauf verbrachte, war ziemlich groß. Immerhin war es Brindlewood, wo es mir Spaß genug macht, anderen dabei zuzusehen, wie liebevoll sie ihre kauzigen alten Damen spielen. Aber bei nur einer Person weniger hätte ich bestimmt eine Stunde mehr Spielzeit erlebt, wenn nicht mehr.
Spaßig war es trotzdem. Ich habe es sehr genossen, meine mürrische Kettenraucherin in den Zoo zu schicken, obwohl sie darauf gar keine Lust hatte, weil dort zu viele Kinder herumlümmelten.
Ja, ganz genau: Der Kriminalfall ereignete sich in einem Zoo. Erfrischenderweise kam es mal nicht zu einem Mord. Mehr verrate ich nicht. Vielleicht willst du ja selbst mal reinschauen. Im Original heißt der Fall „A Baah-d Day at the Petting Zoo“, und er findet sich in The Unofficial Brindlewood Bay Mysteries Volume 1.
Eines der Highlights dieser Runde war für mich der Einsatz der alternativen Kronen der Königin. Diese sind von Andrea Rick von Plotbunny Games, und eignen sich dafür, die Krimikennerinnen zu queeren Lebenserfahrungen einzuladen. Ich denke darüber nach, sie auch in meiner Kampagne anzubieten.
Achso, bevor du dir Sorgen machst: Die Schuldigen für den Zwischenfall im Zoo wurden gestellt. Es droht keine Gefahr mehr.
Fazit
- Die Sonnencon war gut,
- der Umgang mit Spielleiter*innen ist vorbildlich,
- jeder Spielrunde ihren eigenen Raum zu geben, ist äußerst luxuriös für eine Con,
- beim Essen kann man immer noch mehr verbessern,
- die vielen Absagen und Ausfälle sind hart, aber was soll man machen,
- ich bleibe dabei: Vier Spieler*innen sollten das Maximum sein.
Alles in allem war die Sonnecon 2024 also ein voller Erfolg. Ich freue mich aufs zehnjährige Jubiläum nächstes Jahr und bedanke mich beim Nexus für die Organisation!