Danke für nichts. 5 Fälle, in denen DSA-Autoren Spielleiter im Stich lassen

Kaufabenteuer haben einen wesentlichen Zweck: Sie sollten SpielleiterInnen Arbeit abnehmen und damit Zeit ersparen.
Hier sind 5 Fälle, in denen DSA-Autoren dazu keine Lust hatten.

(Enthält keine oder nur geringe Spoiler.)

Danke für nichts. 5 Fälle, in denen DSA-Autoren Spielleiter im Stich lassen

1: Das Gefängnis der Jahre (aus der Anthologie Karawanenspuren)Das Cover des DSA-Abenteuers Karawanenspuren

Wenn die Helden das Areal durchsuchen, können sie auf einige Scheußlichkeiten – pflanzliche wie tierische – stoßen, deren Werte Sie aus der ZBA entnehmen können.

Karawanenspuren S. 44

  • Sehr gut wäre es gewesen, hier direkt die Werte der Pflanzen und Tiere anzugeben.
  • Gut wäre es gewesen, hier wenigstens die Namen der Scheußlichkeiten und die dazugehörigen Seitenzahlen anzugegeben.
  • Auch okay wäre es gewesen, hier entweder die Seitenzahlen oder die Namen anzugeben.
  • Völlig ungenügend ist es, gar nichts davon zu machen, aber trotzdem diesen nutzlosen Satz stehenzulassen.

Das Ärgerlichste ist, dass in Anthologie-Abenteuern der Platz notorisch knapp ist. Jede überflüssige Zeile hätte auch mit hilfreichen Informationen gefüllt sein können. Stattdessen wird der Platz verschwendet mit… nichts.

2: Die Gesichtslose

Dies ist das Vorabenteuer zum Gefängnis der Jahre. Die Gesichtslose hat mir schon in einem anderen Blogartikel Rätsel aufgegeben. Zwei Absätze über der dort beschriebenen Textstelle findet sich ein weiteres Highlight dieses Abenteuers. Hier wird eine kämpferische Begegnung mit einer Dämonenbündlerin beschrieben. Und die Beschreibung liest sich so:

Das Cover des DSA-Abenteuers Die Gesichtslose

Es folgt ein aufreibender Kampf

Die Gesichtslose S. 10

Es sind nur fünf Worte und sie sind in so vielerlei Hinsicht völlig daneben.

Den Kampf hat der Autor selbst gestaltet. Ihn jetzt als aufreibend anzukündigen, das ist so, wie sich selbst zu loben. Genau so könnte er an anderer Stelle schreiben: „Es folgt ein geniales Rätsel“, oder: „Es folgt eine großartige Meisterfigur, die ich mir ausgedacht habe“, oder: „Aufgepasst, jetzt kommt ein richtig geiler Plot-Twist“.

Lob hat sich der Autor allerdings gar keines verdient. Denn der Kampf ist überhaupt nicht als aufreibend gestaltet. Genauer gesagt, ist er überhaupt nicht gestaltet. Die „Ausgestaltung“ besteht nämlich aus drei Sätzen:

  1. Einem Quellenverweis auf einen Regelband (diesmal immerhin mit Seitenangabe).
  2. Ein paar aneinandergereihten Ideen für Orte, an denen der aufreibende Kampf sich abspielen könnte.
  3. Ein Hinweis, man solle für seine Spieler gefälligst eine „dunkle, von Wahnsinn und Gewalt durchzogene“ Atmosphäre schaffen.

Das ist alles. Und das heißt: Ob der Kampf aufreibend wird oder nicht, das liegt allein in der Hand der Spielleiterin. Und die bekommt dafür vom Autor keine Hilfestellung.

Eigentlich genial: Anstatt sich die Mühe zu machen, einen aufreibenden Kampf zu entwerfen und zu beschreiben, hat der Autor einfach behauptet, der Kampf wäre aufreibend. Die Macht der Adjektive macht’s möglich.
Das ist, als würde Stephen King in seinen Romanen schreiben: „Es entstand eine gruselige Stimmung.“ …Eigentlich gut, denn damit könnte er eine Menge Platz sparen und seine Bücher wären nicht mehr solch dicke Wälzer. Leider nur ist das eine Scheißidee.

Nun gut. Es folgen noch drei kurzweilig beschriebene Beispiele, deren Lektüre viel Freude bereitet.

3: Erben des Zorns

Das Cover des DSA-Abenteuers Erben des Zorns

Gestalten Sie den Kampf […] episch und gänzlich andersartig als alle Kämpfe, die Ihre Spieler in bisherigen Abenteuern erlebt haben. Weniger das Schwert oder Magie sollten den Sieg bringen, als vielmehr Ideenreichtum, und die Auseinandersetzung sollte eine Länge haben, die der Begegnung […] angemessen ist, Ihre Spieler aber auch bis zum Schluss fesseln kann. Behandeln Sie dabei [die Gegner] als mystische, individuelle Erscheinungen […], keinesfalls aber als lediglich abzuschlachtende Endgegner. […] Daher werden Ihnen hier auch keine Werte dieser Kreaturen angegeben. Lassen Sie Ihrer Frantasie freien Lauf!

Erben des Zorns S. 63

Diese Ratschläge zur Ausgestaltung eines Endkampfes gehören direkt in die Tonne.
Ich bin Rollenspieler. Ich bin Spielleiter. Ich brauche keinen Hinweis, dass ich meiner Fantasie freien Lauf lassen kann. Und erst recht brauche ich nicht die Erlaubnis irgendeines DSA-Autoren dazu!

Was ich brauche, ist konkrete Unterstützung bei der Vorbereitung eines Spielabends. Denn eine Begegnung zu entwerfen, deren Länge der Epik angemessen ist, und die die Spielerinnen trotzdem bis zum Schluss fesselt, das ist verdammt schwer. Wer aber weiß besser, was hier angemessen ist, als der Autor, der sich das Ganze ausgedacht hat?

Fairerweise muss ich erwähnen, dass auf diese Textstelle dann doch noch ein paar konkretere Hinweise zur Ausgestaltung der Gegner folgen. Aber diese Hinweise reichen nicht, um das leisten zu können, was der Text oben einfordert. So bleibt alles am Spielleiter hängen, dem der Autor eine Hausaufgabe aufgegeben hat, anstatt ihm unter die Arme zu greifen.

4. Masken der Macht

Das Cover des DSA-Abenteuers Masken der Macht

Ihre Aufgabe als Meister besteht nun darin, die Helden zu fordern und ihnen spannende Hindernisse in den Weg zu legen, so dass sie die Gegend […] möglichst während der [Schlacht] erreichen […].

Denken Sie an den Kurier des Zaren von Jules Verne: Die Helden haben etwas Wichtiges zu erledigen, und ihr größter Gegner ist zunächst die Zeit, während das Land um sie herum in Unruhe ist. Halten Sie die Helden durch widrige Fügungen auf, wenn sie zu schnell vorankommen, und bescheren Sie ihnen glückliche Zufälle, wenn es nicht weitergeht – aber so in Maßen dosiert, dass die Spieler sich nicht gegängelt fühlen. Interessanter sind Herausforderungen, die die Helden mit ihren Fähigkeiten versuchen können zu lösen – verlangen Sie ihnen dabei durchaus das Letzte ab.

Masken der Macht S. 92

Apropos „das Letzte“: Dieser Text ist wirklich das Allerletzte.
Ich fasse zusammen: „Machen Sie es spannend!“

Masken der Macht habe ich selbst geleitet. Als ich diese Stelle erreichte, war bei mir die Luft raus. Ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich das Geforderte umsetzen sollte. Ich las die Sätze wieder und wieder und und fühlte mich immer hilfloser. Alleingelassen von den Leuten, die mich überhaupt erst in die ganze Scheiße reingezogen hatten: den AutorInnen der Kampagne. Ich brachte die Kampagne demotiviert zu Ende und hängte dann das Spielleiter-Dasein für einige Jahre an den Nagel.

Um meinen Frust zu verstehen: Beschrieben ist nicht irgendeine Reise, sondern diejenige, die zum Finale hinführt. Diese Reise ist wichtig, weil sie bestimmt, in welchem Zustand und in welcher Stimmung die Helden das Finale erreichen. Es ist sozusagen der Einstieg ins letzte Abenteuer. Anstatt ihn ordentlich zu beschreiben, werden mir einfach nur Hausaufgaben aufgegeben, weil die Autoren selbst keine Lust hatten.

Man stelle sich vor, Gary Gygax hätte in Tomb of Horrors geschrieben:

Der Lich Acererak wartet im letzten Raum eines gefährlichen Dungeons auf die Helden. Gestalten Sie die Suche nach ihm spannend. In den Räumen sollten tödliche Fallen und gefährliche Monster auf die Helden warten. Denken Sie daran, die Helden zu fordern und  ihnen interessante Hindernisse in den Weg zu legen. Am interessantesten sind Herausforderungen, die die Helden mit ihren Fähigkeiten versuchen können zu lösen – verlangen Sie ihnen dabei durchaus das Letzte ab.

Klar, Gygax hätte sich damit eine Menge Arbeit erspart. Aber legendär wäre sein Abenteuer damit nicht geworden. Oder aus anderen, nicht schmeichelhaften Gründen.

5. Bahamuths Ruf

Das Cover des DSA-Abenteuers Bahamuths Ruf

Die Ausgestaltung des Kampfes – als Reminiszenz and das Finale von Blutige See – liegt in Ihren Händen.

Bahamuths Ruf S.101

 

Als Reminiszenz an Blutige See spart sich Autor Michael Masberg hier die Ausarbeitung eines wichtigen Kampfes. Die Reminiszenz findet also auf der formellen Ebene statt und nicht auf der inhaltlichen. Hier wird nicht ein Teil der Handlung von Blutige See aufgegriffen, nein, es wird die Spielleiterin auf dieselbe unverzeihliche Weise allein gelassen wie zuvor.

Das kann Masberg noch so charmant formulieren, es ist trotzdem ein ganz fieser Schachzug.

An diesem Punkt sollte übrigens auch klar sein: Diese faule Ausrede ist mitnichten nur eine Reminiszenz an Blutige See. Es ist eine Hommage an sehr, sehr viele DSA-Abenteuer und reiht sich prima ein in die Parade des Grauens.

 

Hier endet die Rundschau der enttäuschten Hoffnung. Lass mir doch einen Kommentar oder einen Klick auf das graue Herz da, falls es dir gefallen hat. Oder abonniere meinen Newsletter, um zu erfahren, wann es hier etwas Neues gibt.

Du willst noch nicht gehen? Dann habe ich hier ein paar Tipps für dich, wie man trotz aller Hürden DSA-Abenteuer vorbereitet und leitet.

16 Kommentare zu Danke für nichts. 5 Fälle, in denen DSA-Autoren Spielleiter im Stich lassen

  1. Ich sage nur „A193 – An fremden Gestaden“. Eine Reise nach Uthuria und dessen Erkundung in 3,5 Kapiteln an dem ich schon seit… 4 Jahren mit meiner Gruppe spiele, weil der Großteil des Abenteuers aus Texten zu einer Wirtschafts- und Basisbau-Simulation besteht. Und der Rest ist gefüllt mit vagen Beschreibungen von Geschehnissen und Rahmenhandlungspunkten.
    Meine Gruppe hat durchaus Spass mit dem Abenteuer, aber als SL ist es wirklich wirklich schwer und zeitaufwendig daraus etwas zu machen.

  2. Die Quanionsqueste ist voll von solchen Nullinformationen in den Meisterhinweisrb, dafür – DSA-typisch – voller irrwitziger Details, die man für den Rest „dringend im Kopf behalten“ soll. War für mich der Abgewöhner des Spielleitebs,

  3. Sehr schöner Artikel – da greifst du einen ebenso äußerst wichtigen wie häufig sehr schwachen Punkt von Kaufabenteuern (vor allem) auf. Man könnte die Liste sicher noch sehr lange verlängern und das ganze nicht nur auf DSA eingrenzen. Bei „Contact – Schrecken aus der Tiefe“ z.B. besteht praktisch die ganze „mitgelieferte Kampagne“ leider nur aus einem mehrseitigen Handlungsexposé ohne spielpraktische Details.

    Letztlich aber wahrscheinlich schwierig zu entscheiden, wo die Frage des Geschmacks aufhört und die des guten Handwerks beginnt; und welche fehlenden Informationen vom individuellen SL / Autor als relevant erachtet werden, ist wahrscheinlich nicht immer so einfach zu beantworten wie beim genannten „Masken der Macht“ – hier klingt es fast eher nach „hey, Dein Abenteuer ist vier Seiten zu lang. Kürz‘ mal.“.

  4. Hey,

    ja, solche Aussagen und Hausarbeiten gibt es einige. Gott sei Dank nimmt die Anzahl derer jedoch ab. Also über DSA 1 darfst dann gar nicht berichten und über DSA 2… was sind da lustige Abenteuer drin, die .. nennen wir es mal… ausbaufähig sind in Ihrer Beschreibung den Meister zu helfen.

    Marco

    1. Ja, die alten Schinken sind schon jenseits von grenzwertig. Ich hatte kürzlich Das Schiff der verlorenen Seelen in Händen. Das Abenteuer ging nach seitenweise Vorlesetext los mit: „Letzte Nacht war ein heftiger Sturm, deshalb nehmt ihr alle erstmal Schaden.“ – Das passiert, bevor die Spieler auch nur irgendeine Möglichkeit hatten, zu handeln, oder Entscheidungen zu treffen. Von daher kommend, ist es fast ein Wunder, dass die DSA-Abenteuer irgendwann mal spielbar wurden.

    1. Den Bereich „Worst of“ auf deiner Seite wollte ich gerade mal durchstöbern, aber ich bin bei dem Renault-D&D-Video hängen geblieben und ich füchte, jetzt habe ich erstmal genug vom Internet. Und von Fantasy. Ich geh wieder ins Bett. Gute Nacht.

  5. Ich möchte übrigens hinzufügen, dass diese Nicht-Ausarbeitungen wirklich in den besten Abenteuer vorkommen. Erben des Zorns wird im Artikel schon genannt – das habe ich einmal als Vorabenteuer zur Drachenchronik gemeistert, was im Ganzen Spaß gemacht hat, aber eben auch eine Menge Arbeit erforderte. Nahtlos in diese Reihe fügt sich das Finalabenteuer der Quanionsqueste, das zwar an vielen Stellen liebevoll ausgearbeitet ist, aber nach dem Aufhänger – als Reminiszenz an das Finale von Masken der Macht, nehme ich an – den Weg ins Finalabenteuer ebenfalls in einem Absatz abhandelt.

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